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- Antirassismus im Sport
Affe gegen Elefant
Christoph Ruf glaubt nicht, dass Bundesliga-Fußball fair ist. Das galt allerdings schon weit vor der Corona-Pandemie
Es gibt da diesen Cartoon: Ein Affe, ein Vogel, ein Fisch und ein Elefant sind darauf zu sehen. Und ein Lehrer, der an alle vier eine Aufgabe verteilt: »Im Sinne eines fairen Wettbewerbes bekommt ihr alle die gleiche Aufgabe: Klettert auf diesen Baum!«
Das Bild ist gut, zum Beispiel auf die Schule bezogen. Messen Noten wirklich einigermaßen objektiv die Fähigkeiten eines Kindes, wenn eines eine »1« schreibt, weil sich die Eltern einen Nachhilfelehrern leisten können und wollen? Und ein anderes eine »3«, obwohl es in einem Zimmer mit den Geschwistern lebt und die Eltern ganz andere Sorgen haben, als sich darum zu kümmern, was ihr Kind denn so in der Schule treibt?
Das Bild von den vier Tieren zeigt aber auch das Wesen des Leistungssports. Bleiben wir mal beim Fußball, präziser bei der Fußball-Bundesliga. Chancengleichheit gab es da noch nie. Nicht einmal in den Zeiten, in denen ja angeblich alles besser war. Schon damals wurden immer die gleichen Klubs Meister, nur dass es eben neben den Bayern noch fünf, sechs andere waren, die mal die Meisterschale bekamen. Heute freut sich ein Bayern-Fan über die gefühlt achtzigste (und real am Ende der Saison: achte) Meisterschaft in Folge verständlicherweise so sehr wie ein Teenager über einen Pulli, den die Oma ausgesucht hat.
Ähnlich dürfte es in den Achtziger Jahren Fans des BFC Dynamo gegangen sein, deren Verein in der DDR ja auch immer Erster wurde. Wobei es für junge, testosterongesteuerte Männer natürlich spannender ist, als »Berliner Schiebermeister« diffamiert zu werden und nicht genau zu wissen, welches der beiden Worte die größere Beleidigung sein sollte, wenn sie aus Dresdener oder Magdeburger Mündern kommt. Der Reiz, in Niedersachsen oder Thüringen als Bayern-Fan durchs Leben zu sumpfen, der sich ja vor allem dadurch auszeichnet, dass er schon als Kind nicht verlieren konnte, ist hingegen beschränkt.
Kurzum: Fußball war schon immer unfair, interessengesteuert und geldgetrieben, es gab große Affen. Und kleine wie den VfL Bochum, der nie Deutscher Meister geworden ist und es wohl auch nie werden wird. Den Bochums dieser Welt kam der Wettkampf sicher nicht als einer zwischen Affen vor, sondern als einer zwischen Hase und Igel. Man kann so schnell rennen wie man will. Andere sind halt immer schon da.
Dass das Hase-und-Igel-Spiel in der dritten Liga gerade institutionalisiert wird, muss am Rande hier auch erwähnt werden. In Thüringen sind die Sportstätten bis zum 5. Juni gesperrt? In Jena muss der Trainer und Teamchef in Privatquarantäne, weil seine Tochter eine Vorerkrankung hat? In Sachsen-Anhalt darf lange Zeit nicht trainiert werden? Alles für den Deutschen Fußball-Bund keine Gründe, um den Ball nicht wieder rollen zu lassen.
Und wenn in der Bundesliga der Frauen, die im Normalfall auch schon lange zu Ende gespielt worden wäre, manch plötzlich Urlaub nehmen müssen, um unter der Woche spielen zu können, während andere von ihrer Füße Arbeit leben können, dann wird sich schon irgendeine Funktionärin finden, die sagt, dass Fußball so ein toller Sport sei, dass man dafür auch mal Urlaub einreichen könne. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg war so frei. Warum der Spielbetrieb dann allen anderen Menschen unterhalb der Profiligen nach wie vor verboten ist, hat sie ebenso wenig beantwortet wie die Profitrainer im Herrenbereich, die mit treuherzigem Blick versichern, wie glücklich ihre Jungs doch seien, dass sie wieder Fußball spielen können.
In Zwickau haben die Fans am Samstag mit vielen weißen und roten Platten das Wort »Moral ?« gelegt - genau dorthin, wo es die Kamera bei jeder Spielszene einfangen muss. Die Frage nach der Moral ist keine ganz unwichtige, von Fans wird sie meist mit einer klaren Zielrichtung gestellt. Adressaten sind die Verbände, denen unlautere, amoralische Motive unterstellt werden.
Aber vielleicht ist das ein bisschen zu einfach gedacht, und unsere Sicht auf den Sport ist eine gänzlich verkehrte. Um »frisch, fromm, fröhlich, frei« ging es im professionellen Sport noch nie. Auch deswegen nicht, weil wir Konsumenten (die im Sport: »Fans« heißen) das Affe-Elefant-Bildnis schlüssig finden. Im Idealfall kriegen wir auch einen Transfer ins echte Leben hin, beispielsweise, indem wir Kindern Sozialverhalten vermitteln. Im Leben mit unserem Lieblingsverein spielt das aber keine Rolle. Der soll gewinnen. Alles andere ist das Problem der Elefanten.
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