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Immer schön nach den Regeln spielen

Die Basketball-Bundesliga verspielt ihre Chance auf mehr Aufmerksamkeit beim Neustart.

Das Einhalten von Regeln ist Stefan Holz sehr wichtig. Seit 2015 steht er als Geschäftsführer an der Spitze der Basketball-Bundesliga BBL und trieb in dieser Position die Professionalisierung der Liga voran. Immer größer sollten die Hallen werden, immer größer auch die Etats der Klubs. Alles wurde in Regeln festgeschrieben, und die werden durchgesetzt, egal, ob es für einen kleinen Verein in der Provinz gesund ist oder nicht. Nun ist das alles nicht allein Holz zuzuschreiben. Auch die Chefs der großen Klubs machen gern mit im Streben, aus der BBL »die beste nationale Liga Europas« zu machen.

Seit dieses Ziel im Jahr 2011 von Holz’ Vorgänger Jan Pommer ausgegeben wurde, wirkt es mehr als unrealistisch, weil bis heute in Spanien, Russland und andernorts viel mehr Geld im Spiel ist. Eine Chance, näher heranzukommen, sahen Holz und Co. nun aber in der Coronakrise. Die hatte im März zwar auch die Bundesliga ausgebremst, doch wie im Fußball ist Deutschland jetzt auch im Basketball Vorreiter bei der Wiederaufnahme der unterbrochenen Meisterschaft. »Dieses Finalturnier bringt uns wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zurück«, sagte Bayern Münchens Präsident Herbert Hainer jüngst dem »Focus«. Bis auf Fußball »gibt es ja derzeit keinen anderen Sport. Alle anderen und auch die NBA schauen jetzt auf uns.«

Die BBL hat sich natürlich wieder strenge Regeln auferlegt. Strengere sogar als in der Fußball-Bundesliga. Letztere hatte regelmäßige Virustests für alle Beteiligten und eine Quarantänewoche vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs eingeführt. Die Basketballer gehen noch weiter. Alle zehn verbleibenden Teams wurden gemäß eines fast 50-seitigen Hygienekonzepts in dieser Woche in einem Münchner Hotel unter Quarantäne gestellt. Raus geht’s nur zum Training und ab diesem Sonnabend alle zwei Tage zu den Spielen in der Heimathalle des deutschen Meisters Bayern München. Laut Hainer hat »sogar die NBA angefragt, und wir haben ihnen das Hygienekonzept geschickt«. Die Klubbesitzer in Amerika entschieden sich am Donnerstag nun für ein ähnliches Finalturnier in Disney World in Orlando.

Die BBL lässt in München neben einem Fernsehteam bis zum Turnierende am 28. Juni lediglich zwei Agenturjournalisten zu, alle anderen Berichterstatter werden trotz einer ansonsten völlig leeren Halle ausgesperrt. Eine frei empfangbare Fernsehübertragung für die ebenfalls ausgeschlossenen Fans gibt es auch nicht. »Das ist bislang nicht vorgesehen«, sagte eine BBL-Sprecherin dem »nd«. Die üblichen Regeln des Marktes wurden also auch für dieses Turnier nicht geändert. Die Übertragungsrechte liegen beim Online-Bezahlsender Magentasport. Sport1 überträgt nur sechs der insgesamt 35 Partien frei empfangbar. Wer mehr sehen will, muss zahlen. Wie die Liga so den erhofften Reichweitenaufschwung bewerkstelligen will, ist auch den Spielern unklar. »Ein normales Basketballspiel lebt von den Fans, der Atmosphäre, den Emotionen. Das wird hier nicht zu sehen sein, sondern der reine Sport«, sagte Athletensprecher Bastian Doreth der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Dem Liebhaber kann das neue Einblicke geben. Ob man so neue Fans gewinnt? Wäre schön, aber ich bin skeptisch.«.

Dass das Bestehen auf Regeln auch seine Grenzen haben muss, wurde Stefan Holz in dieser Woche eindrucksvoll vor Augen geführt. Just am Tag, an dem der Deutsche Fußball-Bund entschied, auf dem Rasen gegen Rassismus protestierende Spieler nicht zu bestrafen, pochte Holz mal wieder auf die im Basketball ähnlich lautenden Regularien: »Grundsätzlich ist es so, dass politische Äußerungen im Ligabetrieb nicht gestattet sind. Wir treiben Sport, und es gibt keine politischen Äußerungen in jedwede Richtung, da öffnen wir nicht die Tür.«

Es dauerte nur wenige Stunden, bis Holz zum Zurückrudern gezwungen worden war. Marko Pesic, Ex-Profi und seit einigen Jahren Geschäftsführer beim FC Bayern Basketball, sagte: »In einer Zeit, in der es um Solidarität und Zusammenhalt geht, kann niemand den Spielern das Wort verbieten. Sich gegen Rassismus zu stellen, ist keine politische Äußerung, sondern eine Lebenseinstellung. Und wir sind uns ganz sicher, dass unsere Spieler genau wissen, welche Werte der Basketball und welche Haltung speziell dieser Verein bei diesem leider sehr großen Thema besitzen.« Ulms Spielmacher Per Günther legte noch einen drauf. »Liebe Spieler. Wenn ihr euch beim anstehenden Turnier ausdrücken und gegen Rassismus positionieren wollt - bitte fühlt euch frei, es zu tun. Die ersten 10 000 (Euro, Anm. d. Red.) an Strafe gehen auf mich«, schrieb der 32-jährige Ex-Nationalspieler bei Twitter.

Kurz darauf ließ Holz mitteilen, dass Solidaritätsbekundungen und Aktionen gegen Rassismus nicht sanktioniert und stattdessen respektiert werden. Am Mittwochabend folgte dann die persönliche Entschuldigung: »Meine Aussagen, die ich aus jetziger Sicht so nicht mehr treffen würde und deren Wirkung ich wohl nicht vollständig bedacht habe, bedaure ich«, schrieb Holz auf der BBL-Homepage. »Ich habe zu sehr die formalen Festlegungen der Liga zu politischen Äußerungen im Spielbetrieb vor Augen gehabt.« Selbstverständlich akzeptiere die Liga, »wenn der persönlichen Betroffenheit zu den unsäglichen Vorgängen in den USA Ausdruck verliehen wird«, teilte Holz weiter mit.

Der Ligaboss hat der BBL dennoch ein Ei ins Nest gelegt. Just in dem Moment, da die Sportwelt darüber reden sollte, dass in Deutschland endlich wieder Basketball gespielt wird, sprach sie 24 Stunden lang doch nur darüber, wie realitätsfern und unsensibel der Geschäftsführer mit dem beherrschenden Thema der Woche umgegangen war. In den USA gingen stattdessen die derzeit arbeitslosen NBA-Profis auf die Straße und demonstrierten medienwirksam ihre Solidarität mit Opfern von Rassismus und ihr Verlangen nach einem Wandel.

Immerhin: Wie auf den Straßen in den US-Metropolen gewinnen auch innerhalb des Sports die progressiven Kräfte langsam die Meinungshoheit beim Umgang mit Rassismus. So ist damit zu rechnen, dass es mindestens bis zum Dienstag, wenn auch die letzte der zehn antretenden Mannschaften erstmals das Münchner Parkett betritt, Aktionen der Spieler geben wird, vor allem da der Anteil an schwarzen US-Amerikanern innerhalb der Teams noch weit größer ist als im Fußball. Am Donnerstag kündigte dann sogar Stefan Holz an, dass sich die BBL selbst zu Beginn des Turniers »klar gegen Rassismus positionieren« werde.

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