Grüne Geldanlagen statt heißer Luft

Einige Finanzdienstleister machen Druck auf die Industrie, klimaverträglicher zu produzieren

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nie wurde so viel gebaut wie heute. Vor allem durch den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas hat sich der Zementverbrauch in der Welt vervierfacht. Zement besteht aus Kalkstein. Bei seiner Umwandlung wird CO2 frei, und die Öfen, in denen Zement gebrannt wird, stoßen Treibhausgase aus. Nach Angaben der Umweltstiftung WWF bläst die Zementindustrie immerhin acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen in die Luft. Damit ist die Branche klimaschädlicher als die Flugverkehrsfirmen.

Doch es tut sich was in der Branche. Heidelberg Cement, nach der französisch-schweizerischen Lafarge Holcim global der zweitgrößte Konzern, hat sich ein »grünes« Umbauprogramm verordnet: Neue Techniken, Recycling, regenerative Energien und die Wiederverwertung von CO2 sollen den Dax-Konzern nach und nach klimaschonender machen. Dahinter steht auch der Druck, den große Finanzdienstleister ausüben. So nutzte die Fondsgesellschaft der Sparkassen, Deka, vergangene Woche die Online-Hauptversammlung, um eine schnellere Absenkung der CO2-Emissionen zu fordern.

Dies ist kein Einzelfall. Der Druck aus der Finanzwirtschaft auf die Industrie nimmt zu. Allein im vergangenen Jahr legten die nachhaltig ausgerichteten Geldanlagen in Deutschland um 23 Prozent auf rund 270 Milliarden zu, hieß es am Montag in einer Online-Pressekonferenz des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Zu den Mitgliedern des Forums gehören Dutzende konventionelle Finanzfirmen wie Allianz, Credit Suisse oder die genossenschaftliche DZ Bank.

Durch den Öko-Boom erhöhte sich der Marktanteil seit dem Jahr 2011 von einem auf nun deutlich über fünf Prozent. Noch weit mehr Kapital fließt in »verantwortliche Investments«. Darunter versteht FNG Geldanlagen, die zwar nicht die vergleichsweise harten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, aber doch neben der Rendite auch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung im Blick haben. Auch deren Bedeutung nimmt zu: Rund 1,4 Billionen Euro sind mittlerweile »verantwortlich« angelegt. Die Alternativen wachsen doppelt so schnell wie konventionelle Geldanlagen. Und Corona versetzt den Nachhaltigen einen weiteren Schub, berichtete FNG-Geschäftsführerin Angela McClellan.

Es sind vor allem Investmentfonds, die vermehrt auf solche Geldanlagen setzen. »Maßgeblicher Treiber ist die Politik«, sagte FNG-Chefin McClellan. Vor allem Vorgaben aus Brüssel zwängen Unternehmen zu Anpassungen. So sehe eine EU-Regelung vor, dass zukünftig alle Kunden nach ihren Nachhaltigkeitszielen befragt werden müssen. Die Programme zur Aus- und Weiterbildung der Bankberater und Versicherungsvertreter liefen bereits an.

Mit einer anderen neuen EU-Verordnung zu nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten werden Banken, Fonds und Versicherungen verpflichtet, ab März 2021 Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen. »Wir wissen, dass der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben wird, auch ohne die Folgen präzise abschätzen zu können«, sagte Thierry Philipponnat von der finanzmarktkritischen europäische Nichtregierungsorganisation Finance Watch. Sie stellte ebenfalls am Montag ihren Bericht »Breaking the climate-finance doom loop« vor. Philipponnat hält die Gefahr, die vom Klimawandel ausgeht, für größer als die von Corona.

Die gute Nachricht sei aber, dass die EU bereits über wichtige Rechtsmittel verfüge. So könnten von den nationalen Regierungen für Investitionen in fossile Energiereserven höhere Eigenkapitalreserven vorgeschrieben werden - was solche Investitionen finanziell unattraktiver machen würde. Und auch Zentralbanken und Aufsichtsbehörden wie die deutsche Bafin hätten Nachhaltigkeit als Chance für die zukünftige Stabilität der Finanzmärkte erkannt.

Dabei geht es für »grüne« Finanzdienstleister durchaus auch ums Geld. So werden die Zertifikate im EU-Emissionshandel, mit denen der Gesamtausstoß in der Europäischen Union zumindest gedeckelt werden soll, künftig teurer. Heidelberg Cement müsste bald Millionen Zertifikate zukaufen. Das brächte laut Medienberichten zusätzliche Kosten im Jahr von 50 Millionen Euro.

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