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Virtueller Mittelfinger an alle Rassisten
Wie die K-Pop-Szene rechte Hashtags mit Fan-Videos überflutet und so die Black-Lives-Matter-Bewegung unterstützt
Poppig-schallende Beats und perfekt durchgestylte Sänger*innen, die ihre makellosen Körper dazu bewegen. Die Choreographie sitzt auf die Millisekunde genau. Nichts scheint dem Zufall überlassen. Eine Plastikwelt?
Dass K-Pop weitaus mehr ist als das, haben Fans der südkoreanischen Popmusik in den vergangenen Tagen bewiesen: In Deutschland überfluteten sie den Hashtag #rassismusgegendeutsche in den sozialen Medien Anfang der Woche mit Videos und Memes ihrer Idole.
Zwar hatten auch zahlreiche andere Nutzer*innen darauf hingewiesen, dass es Rassismus gegen Deutsche zwar gibt: etwa gegen Schwarze Deutsche oder PoC. Rassismus gegen Deutsche, wie es die AfD und andere Rechte unter dem Hashtag #rassismusgegendeutsche gerade Mal wieder behaupten, aber natürlich nicht existiert - denn wenn die rechte Partei von Deutschen spricht, meint sie weiße Deutsche. Das alleine ist schon rassistisch.
Dass den rechten Stimmen und Hatern unter diesem Hashtag dann am Ende aber tatsächlich die Öffentlichkeit und Reichweite flöten gingen, liegt zu einem Großteil auch am Engagement der K-Pop-Stans. Das Wort Stan setzt sich aus Stalker und Fan zusammen und wird in der K-Pop-Szene selbstironisch benutzt.
Zuvor hatte die Fan-Community die Strategie des Überflutens bereits auf den Hashtag #WhiteLivesMatter angewendet, der nach dem rassistischen Mord an George Floyd zwischenzeitlich neben #BlackLivesMatter auf Twitter getrendet hatte. Unter dem Hashtag wird von der amerikanischen Alt-Right-Bewegung rassistischer Content gepostet.
Und auch der Polizei in Dallas zeigten die K-Pop-Stans den virtuellen Mittelfinger. Diese hatte dazu aufgerufen, Video- und Fotomaterial von den Protesten zur Identifizierung von Personen hochzuladen. Innerhalb kürzester Zeit wurde deshalb auch der Kanal der Polizei von K-Pop-Stans mit Videos überspült, bis die Polizei das Hochladen vorübergehend abschaltete und dies mit »technischen Schwierigkeiten« begründete.
Im Westen zeigten sich viele überrascht über das politische Engagement der K-Pop-Szene. Dabei ist diese »eine progressive und politisch bewusste Community«, wie Hyunsu Yim, der seit 2018 für den Korea Herald über K-Pop schreibt, auf seinem Twitter-Kanal erklärte. Viele westliche Medien würden immer noch mit einem sehr westlichen Blick auf K-Pop schauen, so Yim. »Und damit dazu beitragen, dass K-Pop weiterhin als «Regierungspropaganda» angesehen wird.« Vor allem auf Youtube würden Videos oft aus dem Zusammenhang gerissen, sagt Yim.
Tatsächlich machte K-Pop in westlichen Medien in der Vergangenheit eher mit Knebelverträgen, sexuellen Übergriffen und in den Suizid »getriebenen« Pop-Sternchen von sich reden.
Das Musikgenre, das sich in den 1990er Jahren in Südkorea etabliert hatte und in den Folgejahren auch in zahlreichen weiteren asiatischen Ländern populär wurde, gelangte erst durch das Internet und Videoplattformen wie Youtube nach Nordamerika und Europa. Die Vermarktung in den sozialen Medien spielte also von Beginn an eine bedeutende Rolle für den Erfolg der Bands.
Besondere Popularität erlangte der Rapper Psy mit seinem Song Gangnam Style, der es im Dezember 2012 mit einer Milliarde Likes als das beliebteste Video in der bisherigen Geschichte Youtubes sogar ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte.
2017 wurde über die Boyband BTS (Bangtan Boys) häufiger getwittert als über Donald Trump und Justin Bieber zusammen. Wenig später, im Jahr 2018, eroberten die sieben Mitglieder mit »Love Yourself: Tear« den ersten Platz der amerikanischen Albumcharts. Und in Deutschland waren die mehr als 30.000 Karten für die beiden Konzerte von BTS im selben Jahr innerhalb von nur neun Minuten ausverkauft.
Dabei übte die Boyband bereits mehrfach Kritik an der südkoreanischen Regierung: in Songs über das Militär-Massaker an der Demokratiebewegung 1980 oder das Sewol-Unglück 2014. Im Jahr 2018 hielten die Mitglieder sogar eine Rede vor den Vereinten Nationen.
Und auch nach dem Mord an George Floyd bekundeten die BTS-Mitglieder ihre Solidarität und setzten ein klares Statement gegen Rassismus: »Wir stellen uns gegen rassistische Diskriminierung. Wir verurteilen Gewalt«, schrieben sie auf Twitter.
Ihren Worten ließ die Boyband kurze Zeit später Taten folgen und spendete der Black-Lives-Matter-Bewegung eine Million US-Dollar. K-Pop-Stans folgten dem Beispiel ihrer Idole: Unter dem Hashtag #MatchAMillion startete die selbsternannte »BTS Army« kurzerhand eine eigene Spendenaktion. Das Ziel: mindestens eine Million Dollar – die gleiche Summe, die auch BTS gespendet hat. Innerhalb kürzester Zeit war die Mission erfüllt.
Vielleicht wird der Aktivismus der K-Pop-Stans ja zum neuen Exportschlager. Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, kündigte jedenfalls bereits an, auf den Zug aufspringen zu wollen.
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