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Bundesregierung plant Studie zu Racial Profiling
Institut für Menschenrechte fordert explizites Verbot der Praxis
Berlin. Die Bundesregierung plant eine Studie zum sogenannten Racial Profiling in Deutschland. Das Bundesinnen- und Bundesjustizministerium seien derzeit in der konzeptionellen Entwicklung dafür, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Donnerstag auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Initiative dafür geht auf das Bundesjustizministerium zurück, wie ein Sprecher von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dem epd sagte. Es sei ein wichtiger Schritt, »um fundierte Erkenntnisse über das Phänomen zu erlangen und darauf aufbauend über mögliche Gegenmaßnahmen zu diskutieren«.
Details zur geplanten Studie, über die zuerst die »Welt« berichtete, wurden noch nicht genannt. Das Studiendesign stehe im Einzelnen noch nicht fest, sagte der Innenministeriumssprecher. Der Sprecher des Justizministeriums erläuterte, eine solche Studie sei Deutschland auch von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz empfohlen worden.
Die Debatte um Rassismus und Polizeigewalt hatte auch in Deutschland die Diskussion um Diskriminierung durch Beamte neu entfacht. Betroffene erheben immer wieder den Vorwurf, allein wegen ihrer Hautfarbe von der Polizei verdächtigt und kontrolliert zu werden. Diese Praxis wird als Racial Profiling bezeichnet.
Die Praxis ist geächtet. »Es ist nicht akzeptabel, dass polizeiliche Maßnahmen an Abstammung, Hautfarbe oder Rasse anknüpfen«, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in der vergangenen Woche. Er räumte dabei aber ein, dass es »in Einzelfällen« dazu komme.
Das »Racial Profiling«, also polizeiliche Kontrolle aufgrund äußerlicher Merkmale wie dunkler Hautfarbe, ist in Deutschland aufgrund des Grundgesetz-Artikels 3 verboten. Dort heißt es im dritten Absatz: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.«
Trotz des verfassungsmäßigen Verbots gibt es immer wieder Vorfälle, bei denen sich die Polizei dem Vorwurf des »Racial Profiling« aussetzt. Der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden seit ihrer Schaffung im Jahre 2006 insgesamt 200 solcher Fälle gemeldet. Daten der Bundespolizei weisen aber auf ein viel höhere Dunkelfeld hin. 2018 etwa hatten die Beamten fast 2,3 Millionen Mal Personen kontrolliert, die Trefferquote dabei war sehr gering. Nur in 2,3 Prozent der Kontrollen wurde ein Gesetzesverstoß oder eine Straftat festgestellt.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte hatte bereits 2013 eine Studie zum Racial Profiling veröffentlicht, in der konkrete Gesetzesänderungen vorgeschlagen werden. Unter anderem setzt sich das Institut für eine Streichung eines Absatzes im Bundespolizeigesetz ein, das Kontrollen zur Verhinderung unerlaubter Einreisen unter anderem an Bahnhöfen erlaubt. In der Praxis bedeute das eine Auswahl nach Hautfarbe oder anderen äußeren Merkmalen, hieß es zur Begründung.
Das aktuelle Studienvorhaben begrüßte das Institut grundsätzlich, forderte aber gleichzeitig, dass unabhängige Wissenschaftler dabei die Möglichkeit haben müssten, die bestehende Polizeipraxis zu untersuchen. Von entscheidender Bedeutung sei außerdem, dass bei Konzeption und Ausführung Rassismusbetroffene oder deren Vertretungen mitwirken können, sagte der damalige Studienautor Hendrik Cremer dem epd. Er forderte auch eine gesetzliche Verankerung des Verbots von Racial Profiling.
Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete und frühere Polizeibeamtin Irene Mihalic sprach sich für die Erforschung rassistischer Diskriminierung bei der Polizei aus. »Wir brauchen wissenschaftliche Untersuchungen über das Ausmaß von rassistischen oder verfassungsfeindlichen Einstellungen innerhalb einer Minderheit der Polizei, damit wir tatsächlich mal fundiert darüber reden können«, sagte sie im ARD-»Morgenmagazin«. dpa/nd
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