Die Corona-Warn-App kommt

Technische Lösung wird Hygiene- und Abstandsregeln aber nicht überflüssig machen

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.
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Der Weg zu einer funktionierenden Corona-Warn-App fühlte sich für manche Menschen fast schon länger an als die gesamte Coronakrise. Für die kommende Woche ist nun die Einführung der App angekündigt. Der Bedarf scheint größer zu werden, denn es hat sich in den letzten Monaten der Gedanke durchgesetzt, dass die Nachverfolgung von infektionsrelevanten Kontakten mit technischer Begleitung leichter möglich sein wird.

Seit Beginn der Coronakrise müssen Gesundheitsämter einen immensen Aufwand bei der Nachverfolgung von Infektionsketten betreiben, sobald eine Covid-19-Erkrankung gemeldet wird. »Wo haben Sie sich länger aufgehalten? Mit wem hatten Sie Kontakt?« – die Ämter befragen und telefonieren, sie verhängen und kontrollieren Quarantänemaßnahmen.

Zu den ersten Herausforderungen für die Ämter zählte die Inkubationszeit, also die Phase, in der sich die unbemerkte Ansteckung zu einer Erkrankung entwickelt: eine Woche, zehn Tage, nein, besser doch 14 Tage Quarantäne, sobald es einen Corona-Fall im näheren Umfeld gab. Die Übertragungswege konnten zunächst nur vermutet werden. Eine Aussage darüber, wie lange ein Kontakt dauern müsse, um eine Infektion wahrscheinlich zu machen, gab anfangs nicht. Gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) lernten wir, uns auf das Virus einzustellen. Abend für Abend gab es neue Erkenntnisse nach der »Tagesschau«.

Der transparente Umgang mit der Krise stößt auch auf Kritik. Streitigkeiten unter Wissenschaftlern kochen hoch, kühlen ab, und Woche um Woche lernen die Menschen, dass der wissenschaftliche Diskurs keine schnellen und einfachen Antworten liefern kann, so sehr man sich auch darum bemüht.

Die Corona-Warn-App soll helfen. Doch auch die Software braucht ihre Zeit. An ihrer Entwicklung scheiden sich ebenso die Geister wie an anderen Schutz- und Organisationsmaßnahmen in der Krise. Manch ein Digitalexperte aus den Parteien und allen voran Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) brachte das Land zunächst auf den Weg in ein dystopisches »1984«-Szenario mit Totalüberwachung. Im März begann die Diskussion um die App zur Kontaktnachverfolgung per Mobilfunkgerät. Schnell meldeten sich Kritiker*innen zu Wort und zeigten auf, dass die Positions- und Bewegungsdaten alles andere als präzise sind und keine Rückschlüsse auf mögliche Ansteckungen zulassen.

Deutschland ging in den kollektiven Lockdown. Während die Wissenschaft die Natur des Virus erforschte, musste die Politik beschämt eingestehen, im Bereich Katastrophenschutz wesentliche Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Es fehlten einerseits Schutzmasken, Schutzkleidung und Beatmungsgeräte. Andererseits mussten Strategien neu entwickelt werden. Wie hält man Abstände ein, wo sich Kontakt nicht vermeiden lässt? Supermärkte rüsteten Kassen mit Plexiglasscheiben aus, beschränken den Zugang. Masken wurden kurzerhand selbst genäht, denn was am Markt verfügbar war, landete oft nicht dort, wo es dringend benötigt wurde. Die Homeoffice-Quote stieg ebenso zwangsläufig an wie das Homeschooling, das bis zu den Sommerferien andauern wird und zwischen gut organisiert und konzeptlos alle Ausprägungen umfasst.

Parallel lief die Diskussion um die Corona-Warn-App. Via Bluetooth sollen Kontakte im nahen Umkreis erfasst werden. Eine einheitliche Technik dafür gibt es nicht. Smartphone-Hersteller verwenden unterschiedliche Sensoren, und das Verhalten der Nutzer*innen mit ihren Endgeräten erweist sich als so vielfältig, dass es viel Versuche brauchte, um die Bluetoothchips zu kalibrieren. Klar ist: Die App soll auf möglichst vielen Smartphones funktionieren.

Asiatische Länder galten zunächst als kompetenter bei der Entwicklung einer technischen Lösung. Doch der Blick ins Detail zeigte, dass die Corona-Apps dort nur in der Kombination mit den Daten von Überwachungskameras Erfolge erzielten.

Ende April beendeten die Marktriesen Google und Apple die teils hitzigen Diskussionen, die um ein datenschutzfreundliches dezentrales App-Modell und den überwachungsverdächtigen zentralen Serveransatz kreisten. Ihre Plattformen unterstützen nur den dezentralen Ansatz. Die Bundesregierung legte sich fest und ließ das Modell entwickeln, das auch nach einer Studie des Vereins Nürnberg Institut für Marktentscheidungen auf die größte Akzeptanz bei den Nutzer*innen stoßen dürfte. Die freiwillige Nutzung der App sowie die Anonymisierung bei der Kontaktverfolgung wurden ebenso festgeschrieben wie der weitestgehend lokale Abgleich der infektionsrelevanten Kontakte auf den Smartphones der Nutzer*innen.

Um die Ausbreitung der Pandemie zu vermeiden, braucht es jedoch weiterhin ein angepasstes Verhalten und die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln. Nach Monaten der Diskussion sieht auch Bundesgesundheitsminister Spahn ein: »Die App ist kein Allheilmittel. Sie ist ein weiteres, wichtiges Werkzeug, um die Infektionszahlen niedrig zu halten.«

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