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»Eine App ist keine Impfung«
Für Grünen-Politikerin Laura S. Dornheim sind die Daten beim Gebrauch der Corona-App vorbildlich geschützt
Über die Corona-App ist lange diskutiert worden. Laut Kritikern lief diese Diskussion unter der Federführung Halbwissender.
Die Aussage ist nicht ganz falsch. Gerade in der Anfangsphase, als es viele Statements von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem damaligen Projektleiter Chris Boos gab. Da wurde die Corona-App als die Lösung präsentiert, um aus dem Lockdown zu kommen. Das ist einfach falsch. Eine App ist keine Impfung. Mit der App solche falschen Hoffnungen zu schüren, sorgt am Ende nur für Unzufriedenheit und Skepsis gegenüber Technologie.
Warum war das so?
Leider gab es in der Anfangszeit der Pandemie sehr wenig, was direkt getan werden konnte. Als Gesellschaft honorieren wir es aber nicht, wenn es aus der Politik heißt: »Wir müssen erst einmal abwarten.« Politisch war wahnsinnig viel Aktionismus dabei. Jens Spahn hat Vorschläge eingebracht, die viel Überwachung beinhalteten und einfach auf Ablehnung stoßen mussten.
Laura S. Dornheim befasst sich bei der Berliner Landesarbeitsgruppe Netz der Grünen und beim überparteilichen Verein D64 mit digitalen Themen. Mit Daniel Lücking sprach sie über die Einführung der Corona-App. Foto: Felix Speiser
Welche waren das?
Anfangs wurde fantasiert, Standort- und Verbindungsdaten zu nutzen - ein immenser Eingriff in die Privatsphäre -, obwohl da schon klar war, dass das für das Tracing nicht hilft. Zeitweise ging es in die Richtung, die App auch als eine Art Immunitätsausweis zu verwenden. So etwas lehne ich strikt ab. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist gesellschaftlich wünschenswert. Privilegien für Einzelne, weil sie bereits positiv getestet wurden: Das geht zulasten der Solidarität.
Hat die Diskussion um die App zu lange gedauert?
Nein. Die Bundesregierung hat sehr früh das zentrale Modell befürwortet. Das war aber bei weiten Teilen der netzaffinen Menschen längst als problematisch bekannt. Interessensgruppen und Einzelaktivist*innen haben sich dann sehr schnell zu Wort gemeldet. Dass wir jetzt eine dezentrale und unter Datenschutzaspekten gestaltete App bekommen, ist ein Erfolg dieser Diskussion, und die brauchte eben ein bisschen Zeit. Andere europäische Länder sind auch nicht wesentlich schneller. Frankreich und England haben ihre zentrale App auch erst kürzlich online gestellt.
Ein Aspekt in der Diskussion ist die Frage, ob es für den Einsatz der App ein Gesetz geben muss.
Es gibt Vorschläge aus den Reihen der grünen Landesjustizminister, die sich für eine gesetzliche Regelung aussprechen, um besonders die Aspekte wie die freiwillige Nutzung der App festzuschreiben. Damit sollen auch bestimmte Szenarien verhindert werden, zum Beispiel dass Restaurantbetreiber*innen die App-Nutzung verlangen können. Kritiker eines solchen Gesetzes betonen, man lege gerade damit die Grundlage für eine verpflichtende Nutzung - da scheint mir die Diskussion noch nicht abgeschlossen.
Zu welcher Richtung tendieren Sie?
Mir geht es darum, dass die App freiwillig bleibt. Andere Aspekte sind in den letzten Wochen erreicht worden. Die App ist quelloffen und konnte daher unabhängig analysiert werden. Die App funktioniert dezentral und pseudonym, lässt also keine direkten Rückschlüsse durch Dritte auf die Nutzer*innen zu. Wenn aber beispielsweise Restaurants oder Arbeitgeber jemanden zur Nutzung der App zwingen, müssen wir einschreiten.
Was braucht es, damit die App nun auch viele Nutzer*innen bekommt?
Die Diskussion im Vorfeld hat sicher zu einer gewissen Verunsicherung beigetragen, aber wohl auch für Aufmerksamkeit gesorgt. Aktuelle Umfragen zeigen, dass etwa jeder zweite Mensch die App installieren will. Von wollen zu machen ist es aber erfahrungsgemäß noch ein großer Schritt. Ich hoffe, die Regierung hat sich eine gute Kampagne für die App überlegt. Es gibt diese Studie, die sagt, es müssten 60 Prozent der Menschen die App nutzen, damit ein Effekt erzielt werden kann. Diese Zahl ist sehr, sehr groß. Vielleicht aber reicht es schon aus, wenn eine so hohe Durchdringung dort erreicht wird, wo viele Menschen leben.
Genau. Wenn viele Menschen in den Innenstädten die App nutzen, dann können dort neue Infektionsherde schneller erkannt werden. Wie gut das aber letztlich funktionieren wird, kann momentan noch niemand sagen, dazu braucht es den Praxistest
Werden Sie die App nutzen?Definitiv. Die technische Umsetzung der App ist aus Datenschutzperspektive vorbildlich, und natürlich freue ich mich, wenn ein digitales Tool sich als hilfreich bei der Eindämmung der Pandemie erweist.
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