Kündigungsschutz für Schwangere beginnt mit Vertragsunterzeichnung

Urteile im Überblick

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Bei einem neuen Job gilt der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen nicht erst mit Beginn der Tätigkeit. Sobald die Frau den Arbeitsvertrag unterschrieben hat und danach schwanger geworden ist, dürfe sie nicht mehr entlassen werden, entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einem am 19. Mai 2020 veröffentlichten Urteil (Az. 2 AZR 498/19).

Im konkreten Fall hatte die Klägerin Mitte Dezember 2017 einen Arbeitsvertrag für einen Halbtagsjob als Rechtsanwaltsfachangestellte in einer Anwaltskanzlei unterschrieben. Ab Februar 2018 sollte sie ihre reguläre Arbeit aufnehmen. Nur zwischen den Feiertagen des auslaufenden Jahres 2017 sollte sie stundenweise aushelfen.

Als die Frau im Januar 2018 von ihrer Schwangerschaft erfuhr, wurde ihr wegen einer chronischen Vorerkrankung mit sofortiger Wirkung ein komplettes Beschäftigungsverbot erteilt. Als die Schwangere dies ihrem Arbeitgeber mitteilte, kündigte er ihr.

Das im Mutterschutzgesetz enthaltene Verbot, während einer Schwangerschaft zu kündigen, greife nicht, hieß es zur Begründung. Denn die Frau habe ihre reguläre Beschäftigung ab Februar 2018 ja noch gar nicht begonnen.

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass es allein auf den Zeitpunkt ankommt, wann der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, und nicht, wann die Tätigkeit tatsächlich begonnen wurde. Das gesetzliche Kündigungsverbot solle schließlich die werdende Mutter »temporär vor dem Verlust des Arbeitsplatzes schützen«.

Urteil zu Corona-Klage: Lehrerin muss unterrichten

Eine Grundschullehrerin hat erneut vor einem Gericht in Hessen verloren und muss zum Präsenzunterricht erscheinen.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Az. VGH 1 B 1308/20) wies eine Beschwerde der Klägerin zurück, wie das oberste Verwaltungsgericht des Landes am 15. Mai 2020 in Kassel mitteilte. Die Frankfurter Lehrerin hatte versucht, gegen eine vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vorzugehen.

Die verbeamtete Lehrerin wollte dem Land wegen der Covid-Pandemie untersagen lassen, sie zum Präsenzunterricht beordern zu lassen, bis Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen worden seien. Es ging ihr unter anderem um eine schulbezogene Gefährdungsbeurteilung, ein Schutzkonzept und eine schriftliche Dokumentation.

Der beim Verwaltungsgerichtshof für das Beamtenrecht zuständige 1. Senat begründete die zurückgewiesene Beschwerde damit, dass hinreichende Vorkehrungen getroffen worden seien zum Schutz vor der Lungenkrankheit. Die Lehrerin hätte sich nur weigern können zum Unterricht zu kommen, wenn dies unzumutbar gewesen wäre - etwa durch eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben. Dies sei aber nicht der Fall.

Nach Kündigung und Rechtsstreit: Chefarzt erneut entlassen

Ein wiederverheirateter Mediziner wurde von seinem katholischen Arbeitgeber erneut entlassen. Sein Anwalt vermutet eine »Retourkutsche« für die kirchliche Niederlage im Rechtsstreit.

Nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit der katholischen Kirche um seine Kündigung ist ein Düsseldorfer Chefarzt erneut entlassen worden. Der Mediziner sei nicht mehr für das St. Vinzenz-Krankenhaus tätig, erklärte ein Sprecher des Verbundes Katholischer Kliniken in Düsseldorf. Gründe nannte er allerdings nicht.

Dem Chefarzt war bereits 2009 fristlos gekündigt worden, weil die Kirche in seiner zweiten standesamtlichen Hochzeit einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß sah. Er klagte und bekam Recht. Laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 2019 wurde der Mediziner damit gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt, bei denen eine Wiederheirat kein Kündigungsgrund wäre.

Das Erzbistum Köln verzichtete damals auf eine Verfassungsbeschwerde.

Zur erneuten Kündigung sagte der Anwalt des Mediziners, Norbert H. Müller: »Was die Gründe betrifft, können wir nur mutmaßen. Ich kann mich des Eindrucks einer Retourkutsche nicht erwehren. Eine offizielle Begründung der Kündigung ist bislang nicht bekannt. Sein Mandant will dagegen klagen.« Agenturen/nd

Klarstellung: Crowdworker sind keine Arbeitnehmer

Sind Auftragnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, liegt kein Arbeitsverhältnis vor.

Von Crowdworking spricht man, wenn über eine Internetplattform einer unbestimmten Zahl von Personen bestimmte Arbeiten angeboten werden, wie z.B. Preisvergleiche. Solche Aufträge erledigte auch Herr T. Sie wurden per Webseite vergeben, mit deren Betreiberin T. eine »Basisvereinbarung« traf.

Diese Vereinbarung berechtigte ihn dazu, Aufträge in einem selbst gewählten Bereich (bis 50 Kilometer um seinen Wohnort) zu übernehmen. Umgekehrt war auch die Vermittlerfirma nicht dazu verpflichtet, Aufträge zu vergeben.

Als sie die Zusammenarbeit beendete, zog der Crowdworker vor Gericht. Die Vermittlerfirma müsse ihn als Arbeitnehmer behandeln, dann hätte er nämlich Kündigungsschutz beanspruchen können.

Eine Vereinbarung, die den Auftragnehmer nicht dazu verpflichte, Aufträge zu akzeptieren, begründe kein Arbeitsverhältnis, so das Landesarbeitsgericht München (Az. 8 Sa 146/19). Nach gesetzlicher Definition setze ein Arbeitsvertrag voraus, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sei, »fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu leisten«.

Die Basisvereinbarung mit der Vermittlerfirma dagegen habe Herrn T. zu nichts verpflichtet. Als bloßer Rahmenvertrag konnte sie auch per E-Mail gekündigt werden. Der Umstand, dass Herr T. seinen Lebensunterhalt überwiegend mit den Aufträgen verdient habe, führe nicht zu einem Arbeitsvertrag.

Mit einem Wort: In den Genuss der Schutzvorschriften für Arbeitnehmer komme der Crowdworker nicht. OnlineUrteile.de

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