- Politik
- Bremer Polizeigesetz
Mehr Überwachung, aber auch mehr Bürgerrechte
Zwiespältig: Das neue Polizeigesetz in Bremen
Die rot-rot-grüne Koalition in Bremen hat sich in dieser Woche auf ein neues Polizeigesetz verständigt. Dem waren monatelange Verhandlungen vorausgegangen. Insgesamt geht es um eine Ausweitung der Polizeibefugnisse. So soll die Überwachung von Telefonaten und SMS-Nachrichten künftig bereits vor einer möglichen schweren Straftat erlaubt sein. Außerdem soll die Videoüberwachung auf Großveranstaltungen ausgedehnt werden.
Im Falle häuslicher Gewalt soll ein Täter zur Gefahrenabwehr bis zu zehn Tage lang aus der Wohnung verwiesen werden können. Die Polizei soll in diesen Fällen die Kontaktdaten der Täter an Beratungsstellen weitergeben. »Das ist bundesweit einmalig«, so Grünen-Fraktionschef Björn Fecker. Diese Form der Datenübermittlung darf auch für Angaben zu Mitgliedern islamistischer oder rechtsextremistischer Vereinigungen erfolgen, hier zur Deradikalisierungs- und Ausstiegsberatung.
Linken-Fraktionschef Nelson Janßen sprach bei der Vorstellung der Novelle am Donnerstag von einem »modernen Polizeigesetz«. Aus Sicht der Linken wurde mit dem Gesetz eine Stärkung der Bürgerrechte erreicht. Die Partei kann dabei unter anderem auf die neue Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten verweisen. Der oder die Beauftragte soll durch Bürgerschaft und Innendeputation für jeweils fünf Jahre gewählt werden. Der Beauftragte soll mögliches polizeiliches Fehlverhalten oder innerpolizeiliche Missstände untersuchen. Er hat weitreichende Befugnisse, darunter das Recht auf Akteneinsicht oder auf Zutritt zu Polizeidienststellen. Angerufen werden kann er von Bürgerinnen und Bürgern, von den Fraktionen der Bürgerschaft, aber auch von Polizeibeamten selbst. In diesem Zusammenhang wird auch ein Whistleblower-Schutz für die Beamten eingerichtet.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind neue gesetzliche Regeln für Personenkontrollen: Ohne Anlass dürfen diese auch nicht an kriminalitätsbelasteten Orten durchgeführt werden. Außerdem darf der Anlass von Kontrollen nicht allein auf ein äußeres Erscheinungsbild zurückgeführt werden. Es geht also darum, Racial Profiling zu verhindern. Interessant ist auch das neu geschaffene Recht auf eine Kontrollquittung mit Angabe des Kontrollgrundes.
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sprach von einem »gelungenen Kompromiss«. Die Änderungen werde es nicht zum Nulltarif geben. Mäurer stimmte die Bürgerschaft, die das Gesetz noch verabschieden muss, auf eine deutliche Aufstockung des Personals um Mitarbeiter mit juristischem und IT-spezifischem Hintergrund ein.
Heftige Kritik gab es in Bremen von der Opposition. Von einem »fatalen Tag für die Polizei« sprach der innenpolitische Sprecher der CDU, Marco Lübke, der im Gesetz ein »grundlegend ideologisch und politisch motiviertes Misstrauen gegenüber der Arbeit der Polizei« sieht. Auch die Gewerkschaft der Polizei meldete inhaltliche Mängel und sieht sich bei der Gesetzeserarbeitung ausgeschlossen. Ihr Landeschef Lüder Fasche meinte, dass Gesetz sei nicht für die Polizei, sondern für Polizeikritiker geschaffen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.