- Kommentare
- Dax
Vom Winde verweht
sieben tage, sieben nächte
Der Deutsche Aktienindex (Dax) repräsentiert den Kursverlauf die 30 bedeutendsten deutschen Aktiengesellschaften. Von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ist die Äußerung überliefert, er »freue« sich, wenn es dem Dax gut gehe, denn er sei »Ausdruck der deutschen Wirtschaftskraft«. Aktuell wirkt der Dax allerdings etwas zerzaust.
In ihm finden sich zum Beispiel VW, Daimler und BMW, deren Geschäftsmodell auf dem Klimawandel beruht und daher in Frage gestellt ist. Im Dax ist auch Bayer, das gerade versucht, sich mit elf Milliarden Euro von Klagen freizukaufen, sein Unkrautvernichter Glyphosat ruiniere die Gesundheit von Menschen. Die Krisen-Airline Lufthansa ist gerade aus dem Dax herausgeflogen und wurde ersetzt durch Deutsche Wohnen, deren Enteignung derzeit gefordert wird. Abgestiegen ist auch die vom Staat 2009 gerettete Commerzbank, sie wurde ersetzt durch den Zahlungsdienstleister Wirecard, der sich offensichtlich gerade selbst enteignet hat: Erst fehlten 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz, und jetzt heißt es, sie seien nie da gewesen.
1,9 Milliarden, das entspricht etwa dem Monatslohn von einer Million unterbezahlter Fleischverarbeiter. Diese 1,9 Milliarden sind nun irgendwie weg. Durch den Kurssturz der Wirecard-Aktie wurden zudem »Milliarden an Börsenwert vernichtet« (Reuters). Die sind also auch weg. Dadurch ist Wirecard-Chef Michael Braun vom Milliardär zum bloßen Millionär abgestiegen. Traurig.
Werte sind im Kapitalismus also eine luftige Sache. Zwar kann niemand so recht angeben, wohin es sie geweht hat. Dafür weiß man aber, wie man sie wieder anlockt. Nämlich indem man Kosten verschwinden lässt, vor allem Personalkosten. Daimler baut seit einiger Zeit Tausende Stellen ab und spart so 1,4 Milliarden. BMW und Volkswagen wollen sich ebenfalls von über 10 000 Jobs trennen. Bayer hat sein Sparprogramm schon vergangenes Jahr gestartet, Lufthansa und ThyssenKrupp sind bald an der Reihe.
Angesichts steigender Arbeitslosigkeit und steigender Börsenkurse bemerkte vergangene Woche ein US-Vermögensverwalter, es sei ein Irrtum zu glauben, Aktienindizes spiegelten den Zustand der Wirtschaft wider. Denn für den Aktienkurs zähle nur der Unternehmensgewinn. Und der kann steigen, wenn Jobs und Personalkosten verschwinden. Daraus schließt der Finanzwissenschaftler Benjamin Braun: »Nahezu alles, was wir als Gesellschaft tun können, um die Einkommen und Lebenschancen der unteren 90 % zu verbessern, würde tendenziell die Börsenkurse drücken.«
Das ahnte die SPD offensichtlich schon vor 20 Jahren: »Schauen Sie, wie stark der Dax seit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine gestiegen ist«, jubilierte 1999 der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Dieter Wiefelspütz.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.