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Strukturwandel ohne Bürgerbeteiligung

In die Kohleregionen sollen Milliarden fließen. Bei der Verteilung drohen wenig nachhaltige Großprojekte bevorzugt zu werden

Zum Kohleausstieg gehören auch Strukturfördermaßnahen für die betroffenen Regionen. 40 Milliarden Euro sollen laut Gesetz in die Braunkohlereviere fließen, um die Infrastruktur auszubauen, Arbeitsplätze zu schaffen und die »Lebensqualität der in den Regionen lebenden Menschen« zu steigern, wie es das Bundeswirtschaftsministerium formuliert.

Einige Maßnahmen sind schon auf einem guten Weg. So gab Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) in der vergangenen Woche die Finanzierung eines Radwegenetzes durch das Rheinische Revier aus Bundes- und Landesmitteln bekannt. Auch eine S-Bahn-Linie steht vor der Realisierung. Viele andere Maßnahmen befinden sich allerdings noch im Status von Projektideen.

Gleichzeitig gibt es massive Kritik daran, wie der gesamte Prozess des Strukturwandels in NRW umgesetzt werden soll. Im Rheinland wurde für diesen Zweck die »Zukunftsagentur Rheinisches Revier« gegründet. Das Sagen haben in der Agentur das Landeswirtschaftsministerium und die Kreise, in denen das Revier liegt, aber auch der Energiekonzern RWE hat ein erhebliches Wort mitzureden.

Wie das aussieht, konnte vergangene Woche bei einer »Revierkonferenz« am Aussichtspunkt »Terra Nova« am Tagebau Hambach beobachtet werden. Die Moderatorin sprach von einer »großartigen Kulisse« und einer »fantastischen Location«. In den folgenden anderthalb Stunden gab es wenig Erhellendes. Ein energiesparendes Gewerbegebiet mit dem wohlklingenden Namen »Brainergy-Park« wurde vorgestellt, ein Vertreter von RWE erzählte, wie der Konzern seine Kraftwerke umrüsten könnte. Eine Raumplanerin ließ sich über das »Bild der langfristigen Vision« für das Revier aus. Wer komplett fehlte, war die Zivilgesellschaft.

Reinhold Giesen von der Dorfinteressengemeinschaft Wanlo kritisiert denn auch die intransparente, unausgewogene und nicht abgestimmte Auswahl der Zielgruppen von zwei geplanten Revier-Gesprächen. Es werde zu viel mit Vertretern der energieintensiven Branchen gesprochen und zu wenig »mit den Menschen, die am Grubenrand oder in von Umsiedlung bedrohten Dörfern leben«. Damit werde »der Bock zum Gärtner gemacht«. Antje Grothus, einst Mitglied in der Kohlekommission der Bundesregierung, kritisiert: »Der Prozess erfüllt bisher nicht die Kriterien für einen qualitätsvollen Partizipationsprozess wie Allparteilichkeit, Transparenz, Fairness, Inklusivität und Gerechtigkeit.«

In Ostdeutschland sieht es nicht besser aus. Anna Schüler vom Verein Power Shift, der sich für eine ökologisch und sozial gerechtere Weltwirtschaft einsetzt, verfolgt die Planung zum Strukturwandel in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Jetzt sei der entscheidende Moment, in dem es darum gehe, »welche Leitbilder entwickelt werden und wie sie dann realisiert werden sollen«, sagt sie. Bei der Fördermittelvergabe mangle es an Transparenz. Daher sei zu befürchten, dass »große Infrastrukturprojekte gefördert werden, die nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben«. Schüler verweist zudem darauf, dass die Frage der Bürgerbeteiligung nicht langfristig konzeptioniert sei. So werde die wichtige Frage, wie mit den Tagebauflächen umgegangen wird, die im Besitz der Braunkohlekonzerne sind, bisher völlig ausgeklammert. Das führe gerade in Dörfern wie dem sächsischen Pödelwitz, die bisher von der Abbaggerung bedroht waren, zu erheblichen Problemen.

Die Linkspartei fordert beim Strukturwandel zumindest politische Kontrolle über die Milliarden. Am Donnerstag schlugen die Landtagsfraktionen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt dafür ein länderübergreifendes Gremium vor. »Das Mitteldeutsche und das Lausitzer Revier liegen jeweils in zwei Bundesländern. Wir wollen, dass die jeweiligen Landtage diese Regionen gemeinsam als Einheit betrachten, um sie weiterzuentwickeln«, erklärte die sächsische Abgeordnete Antonia Mertsching.

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