Rechtsbruch beim Verfassungsschutz

Sachsens Innenminister erhebt schwere Vorwürfe gegen geschassten LfV-Chef

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Sachsens Landsamt für Verfassungsschutz (LfV) habe bei einer Sammlung von Daten über Abgeordnete der AfD gegen Recht und Gesetz verstoßen. Die Behörde habe »widerrechtlich Daten über frei gewählte Abgeordnete gespeichert«, sagte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU). Er wies zugleich den Vorwurf zurück, mit der von seinem Ministerium angeordneten Löschung der Daten werde das Landesamt »blind und sprachlos« bei der Beobachtung des Rechtsextremismus. Diese Befürchtung hatte der bisherigen LfV-Präsidenten Gordian Meyer-Plath geäußert, der diese Woche seinen Job verloren hatte. Wöller betonte, davon könne »keine Rede sein«.

Auch der neue LfV-Präsident Dirk-Martin Christian beteuerte, der »entschiedene Kampf« gegen Rechts bleibe »ein Schwerpunkt« der Behörde. Allerdings müsse rechtskonform gearbeitet werden. Diesbezüglich sehe er »großen Optimierungsbedarf«.

Christian hatte sein Amt am Mittwoch angetreten. Er war zuvor im Innenministerium tätig und übte zuletzt die Rechtsaufsicht über den Verfassungsschutz aus. Ein Bericht der »Sächsischen Zeitung« hatte nahe gelegt, er habe die Behörde in dieser Rolle bei der Beobachtung des Rechtsextremismus ausgebremst. Mutmaßlicher Urheber der Anschuldigungen ist der geschasste Amtschef. Wöller sprach von »gezielten Indiskretionen«, die allerdings »völlig haltlos und unbegründet« seien. Er nannte es einen »einmaligen Vorgang«, dass Verschlusssachen an die Öffentlichkeit durchgestochen würden, und merkte an, die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden. Meyer-Plath soll in das Ministerium für Kultur und Tourismus wechseln und einem Bericht der »Leipziger Volkszeitung« zufolge für Industriekultur zuständig werden.

Wöller und Christian hatten am Donnerstag auch im Innenausschuss zu den Vorwürfen Stellung genommen. Valentin Lippmann, Innenexperte der mitregierenden Grünen, erklärte danach, man könne »Verfassungsfeinde nicht durch verfassungswidrige Praktiken« bekämpfen. Kerstin Köditz von der Linksfraktion merkte spöttisch an, das von ihr seit langem kritisierte Landesamt sei offenbar sogar »für interne Begründungen zu dämlich«. Der CDU-Abgeordnete Rico Anton sagte, Meyer-Plath habe der Arbeit des Verfassungsschutzes »einen Bärendienst« erwiesen. Solcherart gesammelte Daten seien vor Gericht nicht verwertbar.

Auch Wöller warnte, dass AfD-Politiker gegen eine unrechtmäßige Datensammlung klagen und vor Gericht Recht bekommen könnten: »Das wäre eine Adelung ihrer Vorgehensweise.«

Die Vorwürfe, der neue Behördenchef sei ein vermeintlichen »Bremser« im Kampf gegen Rechts, hatten den Druck auf Wöller wachsen lassen, der wegen einer Korruptionsaffäre bei der Polizei in Leipzig ohnehin hoch ist. Dort waren gestohlene und von der Polizei sichergestellte Fahrräder aus der Asservatenkammer verschwunden und verkauft worden. Gegen über 100 mutmaßlich Beteiligte wird ermittelt.

Wegen der neuen Vorwürfe hatten der Parteinachwuchses der Grünen und der SPD sogar den Rücktritt Wöllers gefordert, was pikant ist, weil beide Parteien in Sachsen mit der CDU koalieren. Sachsens Juso-Vorsitzende Sophie Koch hält an der Forderung auch nach der jüngsten Wendung des Falls fest, weil, wie sie auf Twitter anmerkte, Wöller schon bisher Dienstherr des jetzt so gescholtenen Landesamtes gewesen sei.

Auch Köditz sieht den Minister politisch nicht entlastet. Dieser sei »für das Landesamt verantwortlich und sieht seit Jahren dabei zu, wie es beim Kampf gegen Rechts herumstümpert«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -