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  • sächsische Gedenkstättenstiftung

Amtsverkürzende Äußerungen

Umstrittenem Chef der sächsischen Gedenkstättenstiftung droht offenbar die Ablösung

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit zwei Verlautbarungen in den Online-Netzwerken hat der Chef der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Siegfried Reiprich, auch den allerletzten Rückhalt in der Landespolitik verspielt und mutmaßlich seine vorzeitige Ablösung in die Wege geleitet. Sachsens CDU-Kunstministerin Barbara Klepsch lud den Stiftungsrat kurzfristig zu einer Sitzung ein. In der entsprechenden Mitteilung verweist sie darauf, dass das Gremium auch den Geschäftsführer »entlastet«.

Reiprich hatte bei Twitter rhetorisch gefragt, ob die Krawalle in Stuttgart vom 21. Juni »eine Bundeskristallnacht« gewesen seien »oder ›nur‹ ein südwestdeutsches Scherbennächtle«. Ausgerechnet der Chef einer Stiftung, die für das Gedenken auch an die NS-Zeit zuständig ist, stellte damit einen Bezug her zu staatlich gelenkten Pogromen im November 1938, bei denen Synagogen, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört wurden und 800 Jüdinnen und Juden starben.

Die Kritik an Reiprichs Äußerung fiel harsch aus. Sie sei »in hohem Maße geschichtsvergessen«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« und der AG der KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik. Claudia Maicher, Abgeordnete der mitregierenden Grünen, warf Reiprich vor, »auf irrwitzige Art und Weise« NS-Verbrechen zu relativieren. Klepsch, die Chefin des Stiftungsrates ist, bescheinigte deren Geschäftsführer, dieser verkenne »die Wesensmerkmale von politischer Gewaltherrschaft«.

Reiprich befeuerte die Debatte mit einem weiteren Tweet, in dem er zustimmend eine Äußerung des Publizisten Peter Scholl-Latour verbreitete, wonach »wir in die Position einer bedrohten Minderheit geraten« - »wir Weiße, Kaukasier oder wie immer man es nennen will«, fügte Reiprich hinzu. Die »Sächsische Zeitung« sah daraufhin »Rassismus in der Gedenkstättenstiftung«.

Lange hätte deren Geschäftsführer ohnehin nicht mehr amtiert. Zwar endet seine Amtszeit formal erst 2022. Reiprich hatte aber im Juni erklärt, sich Ende November 2020 vorzeitig zurückziehen zu wollen - aus »persönlichen, und das heißt im Wesentlichen aus gesundheitlichen Gründen«. Laut Ministerium sollte ein entsprechender Beschluss im Stiftungsrat bis 10. Juli »im Umlaufverfahren« herbeigeführt werden. Nun kommen die 17 Mitglieder kurzfristig zu einem Treffen zusammen. Die sLAG fordert »personelle Konsequenzen«.

Franz Sodann, Landtagsabgeordneter der Linken, verlangte, Reiprich solle »sofort und nicht erst zum Jahresende aus dem Amt ausscheiden«.

Reiprich führt die Stiftung seit 2009. Für das Amt hatte ihn aus Sicht der damaligen Koalition aus CDU und SPD vor allem seine Biografie prädestiniert. Der 1955 in Jena geborene Schriftsteller war wegen einer kritischen Haltung zum DDR-System exmatrikuliert und 1981 ausgebürgert worden. Ausgewiesene Erfahrung als Historiker hatte er nicht.

Sein Amtsantritt fiel in eine Zeit, in der in Sachsen erbittert über die Erinnerungspolitik gestritten wurde. NS-Opferverbände hatten die Mitarbeit in der Stiftung beendet, weil sie dieser eine vom Gedenkstättengesetz gedeckte Gleichsetzung von NS-Diktatur und DDR-Zeit vorwarfen. Der Streit wurde erst 2012 dank eines neuen Gesetzes beigelegt.

Dem Geschäftsführer wurde indes weiterhin eine Unwucht in der Arbeit vorgeworfen. Gedenkstätten für die NS-Zeit sahen sich bei der Verteilung von Mitteln benachteiligt. Ehrenamtliche und Mitarbeiter von Gedenkstätten warfen Reiprich zudem eine katastrophale Kommunikation und Führungskultur vor; öfter landeten Konflikte beim Arbeitsgericht. Im nationalen Diskurs zur Gedenkpolitik spielte Sachsens Stiftung keine Rolle mehr. In einer Evaluation wurde 2019 massive Kritik geäußert. Der Zusammenschluss der NS-Opferverbände sah ein »verlorenes Jahrzehnt« für die Stiftungsarbeit. Im angekündigten Rückzug Reiprichs sieht man nun die »Chance für einen überfälligen Neustart«. Für den brauche es ein transparentes Verfahren und, wie extra betont wird, fachliche Kriterien.

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