- Berlin
- Mohrenstraße
Kontroverse über koloniales Erbe
BVG will Station Mohrenstraße in Glinkastraße umbenennen – neue Debatte entfacht
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ziehen Konsequenzen aus der antirassistischen Kritik an der Benennung des U-Bahnhofs Mohrenstraße in Mitte. »Aus Verständnis und Respekt für die teils kontroverse Debatte um den Straßennamen hat die BVG sich nun entschieden, ihn nicht weiter für die Benennung des U-Bahnhofs zu verwenden«, heißt es in einer Pressemitteilung des landeseigenen Unternehmens. Der U-Bahnhof in Mitte heißt seit 1991 so – zuvor hieß die Station Otto-Grotewohl-Straße, davor Thälmannplatz. Die BVG teilte mit: »Als weltoffenes Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt lehnt die BVG jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab.« Das Verkehrsunternehmen steht nach eigenen Angaben nun in weiterem Austausch mit beteiligten Behörden. Der Zeitpunkt der Umbenennung werde rechtzeitig bekanntgegeben, heißt es.
Bei den Berliner Grünen wurde die Nachricht nach Bekanntwerden begrüßt. »Die Umbenennung des U-Bahnhofs war höchste Zeit!«, erklärte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek. Der Name sei »einfach unerträglich, rassistisch und diskriminierend«. Kapek: »Gut, dass er nun von den U-Bahn-Plänen der Bundeshauptstadt verschwindet.« Jetzt müsse aber auch noch die eigentliche »M*Straße« umbenannt werden. Von »M*Straße« sprechen antirassistische Akivistinnen und Aktivisten, weil sie die rassistische Schmähung »Mohren« nicht vollständig aussprechen wollen. Schwarze Aktivisten kritisieren die Benennung des U-Bahnhofs und der gleichnamigen Straße in Mitte seit langer Zeit. Die Grünen wünschen sich für die Umbenennung einen gemeinsamen, partizipativen Prozess mit dem Bezirk Mitte und dem Bündnis Decolonize Berlin.
Bei der Initiative, die sich seit einigen Jahren kritisch mit der kolonialen Geschichte Berlins auseinandersetzt, wird der Vorstoß der BVG zwar insofern positiv gesehen, weil das Unternehmen damit anerkennt, dass das »M-Wort« schwarze Menschen diskriminiert und darüber hinaus klarmacht, dass Rassismus im öffentlichen Raum nicht zu akzeptieren sei.
Dass die Verkehrsbetriebe aber einfach den Bahnhof nach dem russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka (1804-1857) benennen wollen – den Namen Glinkas trägt eine an den U-Bahnhof angrenzende Straße –, wird vom Bündnis Decolonize Berlin scharf kritisiert. »Damit würde die BVG den kolonialhistorischen Bezug des Ortes auslöschen und ihre Chance für die Ehrung einer Persönlichkeit afrikanischer Herkunft im Berliner Stadtbild bewusst ausschlagen«, heißt es einer am Wochenende verbreiteten Presseerklärung.
Das Bündnis Decolonize Berlin fordert bereits länger, dass die umstrittene Straße und der gleichnamige U-Bahnhof nach Anton Wilhelm Amo benannt werden. Amo war einer schwarzer promovierter Philosophen, der Anfang des 18. Jahrhunderts forschte.
»Gemeinsam mit dem Bezirk und den von Rassismus Betroffenen sollte sich der Senat bei der BVG für eine gleichzeitige Umbenennung der Straße und des U-Bahnhofs in Würdigung von Amos einsetzen«, sagte Tahir Della, Vorstandsmitglied des Bündnisses.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.