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Vom Mafia-Paten zum Präsidenten

Kosovos starkem Mann Hashim Thaci werden Kriegs- und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Meldung, dass die Ermittler ihre Untersuchungen gegen den kosovarischen Präsidenten abgeschlossen haben und nun bereit sind, Anklage zu erheben, ist gut eine Woche alt. Beachtet wurde sie indes nur wenig, denn dass Staatschefs, die durch Putsch oder Krieg an die Macht gekommen sind, zumeist Dreck am Stecken haben, erschüttert inzwischen kaum jemanden.

Während des Kosovo-Krieges in den Jahren 1998 und 1999 wurden nach offiziellen Zählungen mehr als 13 000 Menschen getötet. 2008 erklärte Kosovo seine Unabhängigkeit. Die meisten EU-Staaten sowie die USA erkannten das Land, das ihre Schöpfung war und von ihnen weiter alimentiert wird, offiziell an. Serbien betrachtet das Gebiet noch immer als seine Provinz. China und Russland blockieren mit ihrem Vetorecht im Sicherheitsrat weiter die Aufnahme des Landes in die Vereinten Nationen.

Thaci, heute 52 Jahre alt, und weitere einstige Kommandeure der Unabhängigkeitsarmee UCK sollen - so die Anklage - Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangenen haben. Derartige Anschuldigungen kursieren schon seit Jahren und Thaci, erst Ministerpräsident und seit 2014 Präsident, begegnet ihnen mit der stereotypen Formulierung: »Unser patriotischer Krieg war gerecht und sauber.« Drei Dinge habe er in seinem Leben angestrebt und zwei bereits erreicht: Die Freiheit des Kosovo und die Unabhängigkeit des Landes. Dass es in absehbarer Zeit auch Teil von Nato und EU wird, werde er auch noch feiern können.

Feiern? Mit wem? Wird Thaci demnächst EU-Ratschefin Ursula von der Leyen umarmen und mit dem kommenden deutschen Staatschef eine vor dem Bundeskanzleramt angetretene Ehrenformation der Bundeswehr abschreiten? Angela Merkel hatte wohl nur zweimal direkten Kontakt mit Thaci und dabei peinlich genau auf genügend Abstand zwischen ihr und dem Kosovo-Präsidenten geachtet. Denn, auch wenn Thaci Vorwürfe aus Den Haag als »Fantasien, Science-Fiction und falsche Berichte« abtat, dank des deutschen Auslandsnachrichtendienstes weiß man im Kanzleramt seit Jahren sehr genau, dass die jetzt angeklagten Verbrechen nur ein Bruchteil dessen sind, was man dem einstigen UCK-Kommandeur vorwerfen muss.

Bereits vor dem Kosovo-Krieg leitete der »Freiheitskämpfer« Thaci von der Schweiz aus ein Geflecht höchst krimineller Organisationen. Es ging um Eigentumsdelikte, vor allem aber um Menschen-, Drogen-, Waffen- und Zigarettenschmuggel. Ein Millionengeschäft, nicht nur, um die UCK zu finanzieren. Obwohl es galt, scheinbar »normale« kriminelle Delikte im Blick zu behalten, wurden Thaci und dessen Kontaktleute vom eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement in der Rubrik »Terrorismus und gewalttätiger Extremismus« geführt. Bemerkenswert ist, dass der »Student« Thaci dennoch nie behelligt wurde. Auch später, als er bereits als »Befreiungsheld« politische Ämter in Kosovo ausübte, verhängte die Schweiz - anders als bei anderen Gangstern aus Thacis Umfeld - keine Einreisesperre gegen ihn. Wer waren seine Schutzengel?

Das wollte auch der Bundesnachrichtendienst wissen. Was die Analysten des BND bereits Anfang 2005 »amtlich geheimgehalten« über den Kosovo als »Transitregion und Drehscheibe« des Verbrechens und die den »Staat und die Gesellschaft durchsetzende« Organisierte Kriminalität zusammengetragen haben, ist umfangreich. Es liest sich wie ein »Who is who« der kosovarischen Führungselite. Mancher freilich hat bereits das Zeitliche gesegnet. Unfreiwillig. Immer wieder taucht die von Thaci geführte Drenica-Gruppe auf. Und das noch Jahre nach dem von der Nato erzwungenen UCK-Sieg in Kosovo.

Laut BND war Thaci »eine der drei Schlüsselfiguren«, die im Kosovo als Verbindungsglied von organisierter Kriminalität und Politik funktionierten. Die Rede ist von seinem »Sicherheitsdienst«, der einem kriminellem Netzwerk gleichkäme, das »innerhalb der UCK auch spezielle Missionen gegen Serben durchführte«. Man weiß von direkten Kontakten zur tschechischen und albanischen Mafia, die in der Tschechischen Republik vor allem im Drogenhandel aktiv sind. Andere Netzwerke, die Thacis politischen Aufstieg unterstützten, wurden auf dem gesamten Balkan, in Griechenland, Deutschland, Italien und der Schweiz ausgemacht. Bezeichnend ist auch, dass Thaci auf Basis eines internationalen Haftbefehls 2003 in Ungarn festgenommen, jedoch auf Intervention eines dem BND offenbar unbekannten ungarischen Geschäftsmannes, der in der serbischen Vojvodina mit Treibstoff handelte, sofort wieder frei kam. Thaci war Eigentümer der Kosava Petrol und verdiente so am Benzinschmuggel. Auch mit den Feinden in Serbien?

Das alles bekamen auch die mit dem BND befreundeten Dienste in der EU und den USA auf den Tisch, doch in Washington hielt man daran fest, dass Thaçi geeigneter als jeder andere sei, zur »Konsolidierung der Demokratie« in Kosovo beizutragen. Dabei blieben sie, als 2010 im Europarat noch schlimmere Vorwürfe laut wurden. Nach einer Untersuchung unter Leitung des Schweizers Dick Marty war die Rede von einem von der UCK betriebenen Organhandel. Angeblich wusste Thaci davon, dass man Kosovo-Serben entführt, misshandelt und ermordet hat. Einige von ihnen, um deren Organe zu verkaufen. Dem Westen waren diese Ungeheuerlichkeiten bekannt, behauptet Marty und meint: »Die internationalen Akteure haben sich entschieden, die Augen vor den Kriegsverbrechen der Kosovo-Befreiungsarmee zu verschließen.« Ob sie zehn Jahre später nun die Augen öffnen, bleibt abzuwarten.

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