- Politik
- Roland Wöller
Noch wankt die Freundschaft nicht
Sachsens CDU-Innenminister ist nach Fahrradgate und Verfassungsschutzaffäre angezählt
Immerhin: Diesmal sagte er was. Mit fester Stimme und rotem Kopf sprach Roland Wöller in die Runde der Journalisten. Der »gewaltbereite Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus« sei »die größte sicherheitspolitische Herausforderung im Freistaat Sachsen«, sagte dessen Innenminister. Der Verfassungsschutz müsse die »Früherkennungsfähigkeit« in dem Bereich ausbauen. Dabei freilich habe er gestümpert und »widerrechtlich Daten über frei gewählte Abgeordnete gespeichert«. Ausgerechnet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) soll also gegen Gesetze verstoßen haben.
Wöller saß zum zweiten Mal binnen weniger Tage vor der Presse, und jeweils musste er sich zu Themen erklären, die Wellen weit über Sachsen hinaus schlugen. Der erste Skandal: das so genannte Fahrradgate bei der Polizei in Leipzig. Dort waren Räder, die als Diebesgut sichergestellt worden waren, unter der Hand vertickt worden. Auch viele Beamte hatten so teils hochwertige Räder für ein Spottgeld erstanden. Der Vorgang ist nicht angetan, das Vertrauen in die Hüter von Recht und Ordnung zu stärken. Wöller wusste seit Monaten von der Angelegenheit, behielt sie aber, auch gegen Zuraten der Leipziger Polizeiführung, für sich. Erst als ein Boulevardblatt den Fall an die Öffentlichkeit brachte, lud er eiligst zur Pressekonferenz - sagte aber nichts, sondern verwies monoton auf die Staatsanwaltschaft. Die Journalisten waren verstimmt; Landespressekonferenz und Journalistengewerkschaft formulierten ein Protestschreiben.
In der neuen Affäre wiederholt der Minister diesen Fehler nicht. Der Modus lautet diesmal nicht: abwiegeln, sondern: Attacke als beste Verteidigung. Wehren muss er sich gegen den brisanten Verdacht, den Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechts ausgebremst zu haben. Die Rechtsaufsicht im Ministerium hatte das Landesamt angewiesen, vermeintlich illegal gesammelten Date zu löschen; der bisherige Chef Gordian Meyer-Plath hatte sich geweigert, weil die Behörde sonst »blind und sprachlos« werde. Der Vorwurf war just an dem Tag in der Zeitung zu lesen, an dem Meyer-Plath abgelöst wurde - mit Dirk-Martin Christian durch den Mann, der als »Aufseher« im Ministerium die Löschanweisungen gab.
Es wäre ein Skandal mit Sprengkraft gewesen: Der Innenminister eines Bundeslandes, das auch nach seiner eigenen Einschätzung ein eklatantes Problem mit Rechtsaußen hat, schiebt Aufklärungsbemühungen der Verfassungsschützer einen Riegel vor und setzt einen Bremser an dessen Spitze. Der Dreh, den Wöller der Sache gab, lautete anders: Im Landesamt wurde schludrig gearbeitet, harte Beweise fehlten. Vorerst überzeugte das auch Kritiker. Das LfV sei im Bereich extreme Rechte »nicht ausreichend analysefähig«, sagte die Linksabgeordnete Kerstin Köditz - und »zu dämlich«, um plausibel zu begründen, warum man Daten über AfD-Abgeordnete speichern müsse.
Ob diese Lesart stimmt, ist ohne Kenntnis des Materials nicht zu beurteilen. Zur Entlastung Wöllers ist sie nicht angetan. Denn Klagen über die Analyseunfähigkeit des Verfassungsschutzes gibt es seit Jahren; sie standen schon 2012 im Bericht eines nach Auffliegen des NSU eingesetzten Gremiums. Da war Wöller noch nicht zuständig, sondern wegen des Lehrermangels gerade als Kultusminister zurückgetreten. 2017 aber vertraute ihm Regierungschef Michael Kretschmer das Innenressort und damit die Zuständigkeit für das LfV an. Seither habe er, sagt Köditz, weitere Jahre dabei zugesehen, wie es »beim Kampf gegen Rechts herumstümpert«.
Die Linksabgeordnete sieht Wöller daher »politisch nicht entlastet«. Der Parteinachwuchs der Linken und von Grünen und SPD fordern gar seinen Rücktritt. Letzteres ist brisant, weil beide Parteien im Land mit der CDU koalieren. Die steht bisher fest zu ihm - obwohl er auch parteiinterne Baustellen hat: Wöller ist Kreisvorsitzender in Freital, wo der Rathauschef und weitere CDU-Granden aus der Partei austraten. Allerdings hat Wöller, der mit 17 in die Junge Union eintrat und bis 1999 deren sächsischen Landesverband anführte, einflussreiche Verbündete. Er gehört zu einem Dreigespann mit Kretschmer und Kultusminister Christian Piwarz, die als »junge Wilde« 2004 nach einer CDU-Wahlpleite »hausgemachten Probleme« der Partei geißelten und nun gemeinsam im Kabinett sitzen. Als das Dreigestirn dort einzog, zitierte die »taz« eine Liedzeile: »Wahre Freundschaft soll nicht wanken«. Bisher gilt das auch für Wöller noch.
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