Gute Gestaltung ist links

Maximilian Sauerbier über das künftige nd-Layout und progressive Traditionen des Zeitungsmachens

Neues Layout – Gute Gestaltung ist links

Was konnten Sie mit dem Begriff »nd« anfangen, bevor Sie den Auftrag erhielten, sich mit unserem Layout zu beschäftigen?

Zur Person
Maximilian Sauerbier, Jahrgang 1981, studierte in Leipzig, Weimar und Berlin. Der Gestalter entwarf u. a. das Layout für die Wirtschaftszeitung »Oxi« und ist Mitbegründer des Grafikbüros Schroeter & Berger. Zuletzt unterzog er das nd-Layout einer Erneuerung, die vom 13. Juli an zu sehen sein wird.

Ich kenne es - als Leser, vor allem der Wochenendausgabe, und als Zeitungsmacher. Jemand, der sich mit Zeitungen beschäftigt und sich als links bezeichnet, hat das »nd« natürlich auf dem Schirm.

Für welche Medien haben Sie schon gearbeitet?

Vor allem für die Wochenzeitung »Freitag«. Erst als Grafiker, dann als Art Director.

Wenn Sie in einen Zeitungsladen gehen - was muss eine Zeitung haben, damit sie Ihr Interesse weckt?

Sie muss konzentriert auf das hinweisen, was sie sagen und verkaufen will. Ich will erkennen, was das Programm der Zeitung ist. Und sie muss übersichtlich sein. Viele Zeitungen sind meiner Meinung nach überladen; das lenkt von den Dingen ab, auf die es ankommt. Ich brauche nicht zehn Teaser mit zig Bildern.

Wer ein Zeitungslayout überholen soll, macht zuerst eine Bestandsaufnahme. Was waren Ihre Eindrücke vom bisherigen »nd«?

Ich finde, es fehlte ein bisschen die gestalterische Linie, die Konsequenz bei den Veränderungen der letzten Jahre. Da sind im Laufe der Zeit viele Formate entstanden, die in der Summe etwas von gestalterischem Wust haben. Ich will visuell wieder deutlicher herausarbeiten, was wichtig ist. Beim Anschauen einer Zeitung müssen klare Prioritäten sichtbar werden. Die Leser müssen gut durchs Blatt geführt werden.

Was sind die wichtigsten Veränderungen, denen die nd-Leser ab nächster Woche begegnen werden?

Formal ist der wahrscheinlich größte Einschnitt der Umstieg auf fünf Spalten statt bisher sechs. Die bisherigen Spalten sind ziemlich schmal, und deshalb sind immer wieder Löcher im Text, was dem Lesen nicht zuträglich ist. Das wollte ich verbessern und ein ruhigeres Schriftbild herstellen. Und ich will die Dinge stärker hierarchisieren. Die Überschriften haben künftig die gleiche Schriftart wie der Text, aber sie werden visuell stärker gemacht. So fallen sie mehr ins Auge, das Blatt wird stärker strukturiert.

Die Schrift der Schlagzeilen zu ändern - was ist der Gedanke dahinter?

Eine einheitliche Schrift in Schlagzeile und Text bringt viel mehr Ruhe rein, es ist ein einheitlicher Look. Es gibt keinen Kampf mehr zwischen mehreren Schriftarten. Das reicht bis zur Schrift im Zeitungstitel.

Wenn man heutzutage Zeitungen oder Zeitschriften layoutet - welchen Einfluss haben die Sehgewohnheiten aus dem Internet, von Webseiten und Blogs?

Gute Gestaltung funktioniert auf jeder Plattform, egal ob gedruckt oder digital. Im Netz ist alles kurzatmiger; Bilder und Schlagzeilen spielen eine größere Rolle, man nimmt sich weniger Zeit zum Lesen. Daraus entsteht in meinen Augen gerade die Legitimität des gedruckten Blatts, bei dem man sich die Zeit gönnt, länger zu lesen. Das macht Übersichtlichkeit und Ordnung umso wichtiger.

Ist es für die Gestaltung ein Widerspruch, wenn sich eine Zeitung - auch das »nd« - einerseits jüngeren Zielgruppen zuwenden will, die stärker vom Internet geprägt sind, und gleichzeitig ein Publikum bedient, das ausführliche Hintergründe lesen möchte?

Das Internet ist eher eine Herausforderung für die Zeitungen. Denn sie müssen Qualität bieten und diese Qualität besser zeigen, wenn sie bestehen wollen. Dazu sollte die Gestaltung beitragen. Ich liebe Bücher und Papier und sage mir: Lieber ein gut gemachtes Buch als hundert schlechte mit miserablem Satz und Klebebindungen, die nach zwei Wochen auseinanderreißen. Ähnlich ist es mit Zeitungen: Sie müssen gut gemacht sein, wenn sie bestehen wollen, inhaltlich und gestalterisch.

Wie lang ist die Halbwertszeit für ein Zeitungslayout? Geht das immer schneller, auch wegen der Konkurrenz?

Das glaube ich nicht. Was gut gemacht ist, kann lange überdauern. Ich schaue mir ja auch gerne gut gemachte Bücher aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts an. Gute Gestaltung bleibt bestehen; sie ist kein Selbstzweck, sondern erfüllt eine Funktion. Die Regeln dafür wurden vor über hundert Jahren aufgestellt. Entweder man hält sie ein oder man lehnt sie ab - aber dann muss die Ablehnung deutlich gemacht werden. Ich bin für stringente Einhaltung.

Als wir vor fast zwei Jahren die neue Wochenendausgabe »nd.DieWoche« eingeführt haben, beschwerten sich manche Leser über die vielen weißen, unbedruckten Flächen und bezeichneten das als Platzverschwendung. Ist das tatsächlich Platzverschwendung oder ein Stilmittel?

Leerflächen können eine Funktion haben. Wenn man die Elemente auf einer Seite oder auf einer Doppelseite arrangiert - Texte, Fotos, Grafiken -, braucht man visuelle Spannungsmomente. Weißräume können die Inhalte besser zur Geltung bringen. Das haben ja schon die Klassiker der Moderne so gemacht, Lissitzky beispielsweise. Eine Seite vollzupacken ist das Eine - aber wie gut sie gestaltet ist, fällt erst durch die bewusste Verwendung von Weißraum richtig auf.

Würden Sie beim Layout einer konservativen Zeitung etwas anders machen als bei einer linken Zeitung wie dem »nd«?

Nein, denn so einen Auftrag würde ich gar nicht erst annehmen. Ich muss schon mit dem Inhalt eines Blattes etwas anfangen können, auf das ich mich einlasse. Wobei man erstens sagen muss, dass gute Gestaltung überall gleichermaßen funktioniert. Aber zweitens ist gute Gestaltung, jedenfalls meiner Meinung nach, fast immer links. Weil die Leute, die sie entwickelt haben, und auch die Regeln, auf die ich mich beziehe, in einer progressiven Tradition standen. Beispielsweise Leute vom Bauhaus, wo ich ja studiert habe.

Die und andere haben sich vom Althergebrachten abgewandt, sie haben etwas Neues versucht und dabei einen revolutionären Fundus geschaffen. Das betraf etliche Bereiche, auch die Typografie. Heute werden diese Dinge von vielen verwendet, aber nicht alle sind so ehrlich zu sagen, worauf sie sich da beziehen. Nicht nur wegen dieser Tradition glaube ich, dass linke Zeitungen so gut gemacht und gestaltet sein sollten, dass sie es aufnehmen können mit konservativen und rechten Blättern.

Warum wird das Grün aus dem nd-Zeitungskopf verschwinden? Es war ja ein Alleinstellungsmerkmal in der Zeitungslandschaft.

Ich nenne es - sicher etwas gemein - Linoleum. Es hat für mich keine positive Ausstrahlung. Wir wollen, wie schon bei der Wochenendausgabe, ein einheitliches Erscheinungsbild: das Schwarz der Schrift, und dazu ein leicht modelliertes Rot. Das hat außerdem drucktechnische Gründe: Gemischte Farben kann man im Rollenoffsetdruck nicht richtig gut darstellen. Auch deshalb eine Reduzierung auf das, was im Druck am besten möglich ist.

Welche Innovation im Zeitungslayout hat Sie zuletzt beeindruckt?

Das war »Jacobin«, ein linkes Magazin aus den USA, das es jetzt auch in einer deutschen Ausgabe gibt. Das ist etwas, was man sich gern anschaut. Wenn es dann noch kombiniert ist mit guten linken, kritischen Texten - toll.

Gelegentlich debattieren wir in der nd-Redaktion über große Porträtfotos auf der Titelseite. Die einen sagen: Gut, wenn man den beschriebenen oder interviewten Personen ins Gesicht sehen kann, die für eine Haltung stehen. Die anderen wenden ein: Diese Personalisierung ist Boulevard und nicht links.

Linker Journalismus kann eigentlich nicht boulevardesk genug sein. Im Sinne von: Er sollte möglichst viele Menschen ansprechen. Und wenn er das schaffen will, muss er auch sinnlich sein. Dazu gehören bestimmte Formen. Ein großes Bild zieht mehr Leute an, und Gesichter sowieso. Ich finde die große Optik auf der Titelseite sehr gut, gerade bei einer Tageszeitung, wo man jeden Tag die Chance hat, etwas Neues, anderes zu machen. Da sollte man alles ausprobieren, um die geeignete Sprache zu finden.

Zum Schluss eine Schätzfrage: Wie lange wird das neue nd-Layout Bestand haben?

Das hängt auch davon ab, wie konsequent es von der Redaktion umgesetzt und gelebt wird. Wenn wir es schaffen, die klaren Regeln dieses Layouts einzuhalten und nicht zu verwässern, dann können alle - Leser und nd-Mitarbeiter - sehr lange etwas davon haben. Sicherlich wird dieses Layout in der praktischen Anwendung weiterentwickelt, aber die Regeln sollten in Kraft bleiben. Demnächst werden wir an den anderen nd-Produkten arbeiten - es gibt ja noch Ratgeber, Commune, nd.Extra, Buchbeilagen und die Webseite. Da wollen wir ein einheitliches Erscheinungsbild etablieren.

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