Werbung

Tradition sollte nicht leichtsinnig aufgegeben werden

Das »nd« lud Ines Schwerdtner, Co-Vorsitzende der Partei Die Linke, zur Blattkritik ein

  • Günter Piening
  • Lesedauer: 3 Min.
Ines Schwerdtner (r.) blätterte kritisch durchs »nd«.
Ines Schwerdtner (r.) blätterte kritisch durchs »nd«.

Was macht eine gute sozialistische Zeitung aus? Für Ines Schwerdtner, die sich als »Jacobin«-Gründerin selbst lange Zeit an dieser Frage abarbeiten musste, ist es ein Dreiklang aus Analyse und zugespitzter Kommentierung, einer guten Sprache und einer hohen grafischen Qualität. Idealtyp einer solchen linken Zeitung ist für sie die »AIZ«, die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung der 1920er Jahre, die mit gesellschaftskritischen Nachrichten und Reportagen, Fotomontagen und Karikaturen (z.B. von John Heartfield) ein proletarisches Massenpublikum erreichte und eine einflussreiche Rolle in der linken und öffentlichen Debatte spielte.

In diese Richtung entwickelt sich auch das »nd«, lobt Schwerdtner in der jüngsten externen nd-Blattkritik. »Vor allem in der Wochenendausgabe hat es einen Qualitätssprung gegeben!« Die grafische Aufbereitung sei sehr durchdacht und die Auswahl und Aufbereitung der Themen auf einem hohen intellektuellen Niveau. Das hat aber eine Kehrseite: »Gerade die politökonomischen Texte sind häufig sehr abstrakt. Sie könnten lebendiger sein und so aufbereitet werden, dass sie mehr Menschen ansprechen.« Schwerpunkt des »nd« sollten zugespitzte Kommentare und Analysen aus der Klassenperspektive sein – »bei dem, was uns unter Merz erwartet, wird das eine wichtige Funktion des ›nd‹ sein, die kein anderes Medium in dieser Eindeutigkeit leistet«. Vor dem Hintergrund der wachsenden Auseinandersetzungen blieben zu viele Beiträge noch verfangen »in der innerlinken Nischendebatte, statt sich mit dem Klassengegner auseinanderzusetzen«.

Schwerdtner schätzt am »nd« auch die kritische Begleitung linker Strategiedebatten, die weder nur linke Nischen bediene noch sich in linksliberaler Unentschlossenheit verliere. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihr Texte, die sich mit dem Klassencharakter der aktuellen Kriege beschäftigten. »So einen Text wird kein anderes Blatt bringen – hier hat das ›nd‹ Alleinstellungsmerkmale, die mehr genutzt werden können.« Viele Beiträge, so Schwerdtner, stehen nur im »nd« und machen die Unverwechselbarkeit der Zeitung aus. Dazu gehören für sie auch die aus der Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung entstandenen Hintergrundberichte aus deren Auslandsbüros.

Aber kann das Debattenformat auch prägend für die Tagesausgabe sein, die ganz anderen Aktualitäten folgt? Schwerdtner, die gesteht, täglich nur einige nd-Texte im Netz lesen zu können, auf die sie häufig durch soziale Medien hingewiesen wird, sieht das Dilemma. »Aber für Nachrichtliches und tagesaktuelle Berichte brauche ich das ›nd‹ nicht. Wenn Nachrichtliches, dann nur das, was für Linke wichtig ist!« Dazu gehören für die in Werdau (Sachsen) geborene Parteivorsitzende vor allem auch Reportagen aus den ostdeutschen Bundesländern, »besonders rund um die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg waren die Berichte eine gute Quelle für mich.«

Andere Entwicklungspfade – etwa eine stärkere Konzentration auf aktivistische Gruppen und Bewegungen – sieht Schwerdtner skeptisch. »Das ›nd‹ hat eine lange Tradition, mit der es sich kritisch auseinandergesetzt hat. Das ist eine Stärke, die man nicht leichtsinnig aufgeben sollte, sondern ausbauen kann. Genau diese gewachsene Unverwechselbarkeit wird auch in Zukunft für eine linke Debatte gebraucht.« Ein Wechsel hin zu einem Bewegungssprachrohr sei für einen großen Teil der Leserschaft wohl auch kaum zu vermitteln.

Schwerdtner wünscht sich, dass das »nd« noch mehr die Zeitung wird, die eine große Bandbreite an Themen abdeckt, die mit Analysen und Kommentierungen eindeutig Position bezieht und Verhältnisse einordnet, die Orientierung gibt. »Ich kann mir vorstellen, dass so eine Zeitung auch weiterhin ältere Genoss*innen anspricht und junge, linksbewegte Leserschichten erschließt.« Man müsse das »nd« ja nicht lieben. »Aber es muss mehr Leuten bewusst sein, dass etwas fehlt, wenn das ›nd‹ plötzlich nicht mehr sein sollte.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -