Trumps Hätschelkind kommt nicht mehr auf die Beine

Der US-Präsident versprach der Kohlebranche ein Revival. Die Erneuerbaren scheinen aber auch hier unaufhaltsam zu sein

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum ersten Mal seit 130 Jahren, als Holz der wichtigste Brennstoff war, haben erneuerbare Energiequellen in den USA die Kohleverstromung übertroffen. Dies ergibt sich aus aktuellen Zahlen der U.S. Energy Information Administration (EIA). Laut der Behörde übertraf die Windenergie auch zum ersten Mal die Stromgewinnung aus Wasserkraftwerken. Aber auch Erdgas legte zu.

Der Rückgang des Kohleverbrauchs hängt mit der stark zurückgegangenen Stromnachfrage aufgrund des Corona-Shutdowns und den sinkenden Strompreisen zusammen. Die Energieversorger fuhren vermutlich ihre unrentablen Kohlekraftwerke herunter, um Geld zu sparen. »Die Auswirkungen der Richtlinien zur sozialen Distanzierung werden den Stromverbrauch der USA in den nächsten Monaten wahrscheinlich weiterhin beeinflussen«, prognostiziert die EIA. Die Behörde geht davon aus, dass Kohlekraftwerke in diesem Jahr nur 19 Prozent des US-Stroms liefern werden, ein Nachfragerückgang um ein Viertel.

Dies hat Folgen: Kohlebergbauunternehmen bauen nach wie vor Arbeitsplätze ab. »Da Covid-19 weiterhin die US-Wirtschaft verwüstet, ist die Inlandsnachfrage nach Kohle zurückgegangen«, heißt es in einer Erklärung der Navajo Transitional Energy Company, in der der Abbau von 100 Arbeitsplätzen im Bundesstaat Wyoming angekündigt wird. Trotz »vorübergehender Lohnkürzungen« habe man im Bergwerk Antelope in der Nähe der Stadt Gillette weitere Stellen abbauen müssen. Im April hatte das in West Virginia ansässige Unternehmen Longview Power, das eines der modernsten Kohlekraftwerke in den USA betreibt, sogar Konkurs angemeldet. Es begründete den Schritt mit dem ungewöhnlich warmen Winter, billigem Erdgas und dem Nachfrageeinbruch durch Corona.

Der Rückgang bei der Kohleverstromung ist bemerkenswert, weil US-Präsident Donald Trump und seine republikanischen Verbündeten einst versprochen hatten, diese Industrie zu protegieren. Es sollten sogar wieder neue Arbeitsplätze im Bergbau geschaffen werden. Zu diesem Zweck sagte Trump Regelungen zur Senkung des Treibhausgasausstoßes aus der Obama-Zeit den Kampf an.

Erst kürzlich veröffentlichte die Umweltschutzbehörde EPA, die mittlerweile von Scott Pruitt, einem Leugner des menschgemachten Klimawandels, geleitet wird, neue Regeln, um den »Clean Air Act« zu untergraben. So möchte man andere Verfahren zur Messung der Umweltverschmutzung nutzen, die deutlich niedrigere Werte ergeben würden.

Dies soll der Kohleindustrie helfen. Sie preist sich als Versorger der letzten Instanz an, wenn erneuerbare Energie nicht produziert werden kann. »Kohle kann nach Bedarf verschickt werden, im Gegensatz zu zeitweilig aussetzenden Wind- und Solarquellen«, heißt es in einer Erklärung des Lobbyverband American Coal Council. »Kohlekraftwerke stärken die Widerstandsfähigkeit des Stromnetzes auch in kalten Wintern und heißen Sommern, wenn der Strombedarf am größten ist und die Nachfrage sprunghaft ansteigt.«

Ursprünglich wollte Trump die Netzbetreiber anweisen, Strom von Kohle- und Kernkraftwerken zu über dem Marktpreis liegenden Preisen zu kaufen, um die zunehmend unrentablen Anlagen zu subventionieren. Eine Flut von Kritik veranlasste den Präsidenten aber, diese Idee zurückzuziehen. Seit Trumps Amtsübernahme im Jahr 2017 wurde die Stilllegung von 50 Kohlekraftwerken angekündigt. In diesem Jahr werden laut den EIA-Prognosen die CO2-Emissionen in der Energieerzeugung um elf Prozent sinken und damit deutlich stärker als der Stromverbrauch.

Umweltschützer begrüßen natürlich den Rückgang der Kohle. Er sei gut für die Umwelt und eine Mahnung, dass neue Arbeitsplätze in nachhaltigen, grünen Industrien eine ausgezeichnete Möglichkeit seien, die Wirtschaft nach dem Abklingen der Coronakrise anzukurbeln, sagt Cherelle Blazer, Sprecherin des Sierra Clubs, dem ältesten Umweltverband in den USA. Die Tatsache, dass Luftverschmutzung ein Faktor für schwere Covid-19-Erkrankungen zu sein scheint, sei ein weiterer Grund, härter dafür zu kämpfen, die Kohle aus dem Stromnetz zu drängen.

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