Mit niemandem zu tun haben

László Najmányi ist tot

  • Jonas Engelmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ungarn ist, wie man weiß, nicht gerade für seinen Einfluss auf die Popgeschichte bekannt. Doch zumindest die Punkgeschichte sähe ohne das osteuropäische Land vermutlich anders aus. Denn auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs ist Punk maßgeblich von ungarischen Juden geprägt worden. In New York entwarf der 1956 mit seinen Eltern in die USA ausgewanderte Tamás Erdélyi als Tommy Ramone den Sound und das Image seiner Band The Ramones, und gleichzeitig machte sich Gergely Molnár in Budapest daran, die erste Punkband des Ostblocks zu gründen: The Spions.

Molnár hatte dabei einen Mitstreiter, auch wenn dessen Status innerhalb der Band nie ganz geklärt wurde: László Najmányi, der 1975 den Avantgardefilm »Die Nachricht des Imperators« gedreht hatte. Die beiden hatten sich über das experimentelle Theater kennengelernt und 1977 den Plan gefasst, von nun an Musik zu machen, Musik als Provokationsmodell weiterzuentwickeln. Und sie entwarfen eines der radikalsten Punkkonzepte jener Zeit. Der Ost-Punk-Experte Alexander Pehlemann schreibt über die Band: »Sie galten als Spione des Rock ’n’ Roll, der als einzige Bindung über Nation, Rasse, Religion oder Ideologie hinweg Geltung hatte, sie waren Verräter jedes Systems.« Der Bandname sollte bereits den antinationalen Gestus der Band unterstreichen, der es, wie Najmányi einmal zusammengefasst hat, darum ging, ihrer »Nationalität, der Abstammung zu entkommen, sie zu verleugnen und zu negieren, was in unseren Köpfen war«.

László Najmányi kam in diesem Konzept die Rolle zu, den ungarischen Staat gegen die Band aufzubringen, was ihm problemlos gelang. In einem Bericht des Geheimdienstes über ein Konzert der Band heißt es: »Im ersten Teil zeigte László Najmányi eine sogenannte ›Pere Lachaise show‹ vor einem Publikum von ca. 400 Menschen. Mithilfe eines Overhead-Projektors und eines Glasrahmens führte er ›Szenen‹ vor, mit der Absicht, Ekel und Abneigung zu erregen.« Danach folgte die Performance der Spions, die nicht weniger skandalös war und mit ambivalenten Nazi-Anspielungen Veranstalter wie auch Publikum gegen sich aufbrachte. Drei Konzerte konnten die jüdischen Punk-Provokateure in Ungarn vor randalierendem Publikum und Geheimdienstmitarbeitern spielen, bevor sie vom ungarischen Staat ins Exil gezwungen wurden. Najmányi und Molnár landeten 1978 in Paris und lernten dort Malcolm McLaren kennen, der ihnen einen Deal für die erste Single vermittelte: »The Russian Way of Life«. Mittlerweile gaben sie sich nämlich als KGB-Agenten aus und erprobten ihr Provokationskonzept vor einem westlichen Publikum. Nach den Aufnahmen zerfiel die Band allerdings, vielleicht hatte sie ihr 1978 veröffentlichtes Bandmanifest zu wörtlich genommen: »Spions schaffen sich selber ab, weil sie ihre Umgebung hassen. Sie haben mit niemandem zu tun. Sie haben keine Rasse und kein Land.«

Über Kanada, New York, Indonesien und die Karibik und zahlreiche Namenswechsel später (WordCitizen, NoMore, Karl-Heinz Wienerblut …) landete Najmányi wieder in Ungarn, wo er mit dem »Kosher Kabarett« und dem »Jehuda Löw Social Club« nach Abstechern zum Buddhismus und zu den Rastafaris auf seinen jüdischen Background zurückkam und vor allem das Erbe der Spions weiterführte, als grafisches Projekt und nicht abgeschlossene Autobiografie. Am 28. Juni ist László Najmányi im Alter von 74 Jahren gestorben.

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