Von Menschen und Hunden

Eine genetische Studie zeigt: Husky und Co. wurden vor knapp 10.000 Jahren in Sibirien eigens gezüchtet.

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Hund gilt als des Menschen bester Freund und dies vermutlich schon seit 40 000 Jahren. Auch das Aufblühen der nordostsibirischen und Inuit-Kulturen in der Arktis wäre wohl ohne Schlittenhunde nicht möglich gewesen. Trotzdem haben Wissenschaftler der Abstammung und dem Zeitpunkt der Domestizierung dieser spezialisierten Tiere bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Nun hat ein internationales Forscherteam Licht in dieses Dunkel gebracht. In einer im Fachjournal »Science« veröffentlichten Studie weisen die Wissenschaftler um den Genetiker Mikkel-Holger Sinding vom Kopenhagener Globe-Institut nach, dass die bewusste Auswahl und Zucht geeigneter Hunde gegen Ende der letzten Eiszeit in Nordostsibirien stattfand. Der Ursprung lag sicherlich auf dem Festland, aber der bisher am besten bekannte Fundort liegt auf der Schochow-Insel, die zum Neusibirischen Archipel gehört. Hier wurden nicht nur Knochenreste gefunden, deren Alter sich auf 9500 Jahre datieren ließ. Sie enthielten zudem ausreichend genetisches Material für weitere Untersuchungen. Die Abstammung dieser Hunde lässt sich auf den eurasischen Wolf zurückführen. Überreste solcher Tiere wurden bereits vor einigen Jahren in der Ausgrabungsstätte Yana am gleichnamigen nordostsibirischen Fluss gefunden. Während es sich bei diesen 27 000 bis 31 000 Jahre alten Funden eindeutig um Wölfe handelte, konnte unlängst der im Permafrost Jakutiens gefundene gut konservierte Kadaver eines 18 000 Jahre alten Welpen als Übergangsform zwischen Wolf und Hund identifiziert werden. Die viel jüngeren Hundereste von der Schochow-Insel unterscheiden sich genetisch nur wenig von sibirischen Huskys, den Malamuten Alaskas und den grönländischen Schlittenhunden. Auch das Genom eines 4000 Jahre alten Hundes von Port au Choix an der kanadischen Nordostküste zeigt eine enge Verwandtschaft zu seinen sibirischen Vorfahren. Dieser Vergleich unterstützt indirekt auch die Zeitbestimmung der Wanderung der Paläo-Eskimos von Sibirien Richtung Osten vor etwa 5000 Jahren.

Beim Vergleich der Genome dieser Hunderassen fanden die Forscher zu ihrer Überraschung keine genetischen Spuren moderner amerikanischer Wölfe, obwohl Beobachtungen sowohl der Inuit wie auch von modernen Entdeckungsreisenden bestätigen, dass Paarungen zwischen Wölfen und Schlittenhunden immer wieder vorkommen. Die Forscher vermuten, dass hier eine Selektion vorliegt, die Hybridformen verhindert, und das ursprüngliche Genom dadurch geschützt wird.

Huskys, Malamuten und grönländische Schlittenhunde dürften die robustesten und zähesten Hunde überhaupt sein. Sie sind genetisch perfekt an Hunger, Kälte und spezielle arktische Diät angepasst, und diese Anpassung kann bereits im Genom der Hunde von der Schochow-Insel abgelesen werden. So wurde eine Mutation festgestellt, die die Anpassung der Hunde an extreme Kälte ermöglicht und genetisch die gleiche ist, wie sie etwa bei den ausgestorbenen Wollhaarmammuts festgestellt wurde. Diese Mutation scheint auch zu bewirken, dass die arktischen Hunderassen eine höhere Schmerzgrenze haben als andere. Eine weitere überlebenswichtige Mutation ist die Fähigkeit dieser Hunde, extrem fettreiche Nahrung, insbesondere Fisch und Robbenfleisch, zu verzehren, ohne dass sie an Diabetes erkranken. Die gleiche Mutation liegt bei Eisbären vor. Zugleich sorgen die genetischen Veränderungen dafür, dass die arktischen Hunde anders als Hunde der gemäßigten Breitengrade stärkereiche Nahrung nicht gut vertragen. Eine letzte wesentliche Änderung der Genetik der Schlittenhunde lässt sich in den für die Muskeln verantwortlichen Genen ablesen. Über die Jahrtausende hinweg wählten die Paläo-Sibirjaken und Paläo-Eskimo jene Hunde zur Zucht aus, die fähig waren, lange Strecken zu laufen. Diese Selektion lässt sich in der Genetik der Muskeln ablesen. Nicht nur die Genetik der Muskulatur, auch die archäologischen Ausgrabungen belegen, dass die Hunde von Schochow bereits als Schlittenhunde arbeiteten. Gefunden wurden Reste von Hundegeschirr, das eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem von heute aufweist.

Überdies legen die auf der Schochow-Insel gefundenen Obsidianwerkzeuge nahe, dass es bei den frühen Polarvölkern einen Austausch mit weit entfernten Gebieten gab. Denn das Rohmaterial der Werkzeuge stammt aus rund 1500 Kilometer entfernten Lagerstätten. Selbst wenn der Rohstoff in Etappen von Lager zu Lager transportiert wurde, musste jeder Händler Hunderte Kilometer zurücklegen, um das begehrte Material nach Hause zu bringen. Ohne die Hunde, die 200 Kilo schwere Schlitten ziehen können, wäre das kaum möglich gewesen.

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