Konstruierte Tatbestände

Jana Frielinghaus über die jüngsten Urteile gegen Teilnehmer der Anti-G20-Proteste vor drei Jahren

Keine Frage: Aus jenem Demonstrationszug heraus, der sich am 7. Juli 2017 über die Elbchaussee bewegte, wurden schwere Straftaten begangen. Und Aktionen wie diese haben Politikern, Polizei und Medien geholfen, Zehntausende fantasievoll und friedlich gegen eine ausbeuterische Weltordnung Protestierende pauschal als Polithooligans zu diffamieren.

Doch zugleich zeigen die am Freitag gesprochenen Urteile gegen fünf junge Männer einmal mehr, dass die Justiz bereit ist, rechtsstaatliche Grundsätze wie die Unschuldsvermutung zu suspendieren. Denn obwohl vier der fünf Beschuldigten keine Tat nachgewiesen werden konnte, wurden zwei von ihnen zu Haftstrafen auf Bewährung und die beiden damals Minderjährigen zu Arbeitseinsätzen verurteilt. Immerhin: Die Richterin blieb weit unter den extremen Forderungen des Staatsanwalts. Er hatte die Beschuldigten allein wegen ihrer Präsenz an Tatorten zu Mittätern erklärt und ein »ostentatives Mitmarschieren« in Analogie zu Zusammenrottungen von Hooligans zwecks Begehung von Straftaten konstruiert.

Die vier, denen nichts Konkretes zur Last gelegt werden konnte, hätte der Ankläger gern zu zweieinhalb bis drei Jahren Haft verurteilt gesehen; dem jungen Franzosen, dem ein Böllerwurf und Flaschenwürfe auf Polizisten vorgeworfen worden waren, wollte er fast fünf Jahre Gefängnis aufbrummen. Obwohl die Richterin seine Prozessführung kritisierte, sind die Strafen mindestens fragwürdig. Völlig unverhältnismäßig sind die fast eineinhalb Jahre Untersuchungshaft, die Loic S. bereits hinter sich hat, und deren Bedingungen. Trotz der im Vergleich zu früheren Verfahren milden Urteile ist mit weiteren Kollektivstrafen gegen G20-Gegner zu rechnen.

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