Kommunisten landesweit verankert, doch mit Rückschlägen

Kommunalwahl brachte mehr grüne und rosa Siege als rote. Frankreichs Linke findet nur schwer zusammen. Jean-Luc Mélenchon bereitet Präsidentschaftskandidatur vor

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Während die jüngste Kommunalwahl eine eindrucksvolle Welle von Erfolgen für die Partei der Grünen brachte und sich die schon totgesagten Sozialisten vielerorts sammeln und verlorene Positionen zurückerobern konnten, blieb den weiter links stehenden Parteien und Organisationen kaum mehr als Schadensbegrenzung. Eine Ausnahme war der medienwirksame Außenseitererfolg von Philippe Poutou, dem zweifachen Ex-Präsidentschaftskandidaten der kleinen, aber sehr kämpferischen Neuen Antikapitalistischen Partei NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste), der in Bordeaux auch im zweiten Wahlgang antrat, obwohl es dabei eigentlich nur um eine Stichwahl zwischen der - letztlich erfolgreichen - Koalition aus Grünen und Sozialisten einerseits und den rechtsbürgerlichen Republikanern andererseits ging. Poutou verbuchte zehn Prozent der Wählerstimmen, was sicher nicht zuletzt eine Anerkennung für seinen Kampf gegen die Schließung des Ford-Werks in Bordeaux-Blanquefort darstellt, wo er selbst bis zur Entlassung im vergangenen Januar Arbeiter war. Das zeigt, dass Linke immer umso erfolgreicher sind, je konkreter sie sich um die tagtäglichen Sorgen und Interessen ihrer Anhänger kümmern. Doch für die Sammlung von Frankreichs Linken fällt dieser Fall nicht ins Gewicht, denn die NPA geht prinzipiell keine Bündnisse mit anderen linken Parteien oder Organisationen ein, die ihr alle nicht revolutionär genug sind.

Rätsel gab die Bewegung La France insoumise LFI im Kommunalwahlkampf auf. Sie war Anfang 2016 von Jean-Luc Mélenchon mit ähnlichen Ambitionen gegründet worden wie zeitgleich die Bewegung En marche durch Emmanuel Macron, die diesen dann 2017 ins Elysée getragen hat und ihm bei der anschließenden Parlamentswahl eine solide Mehrheit in der Nationalversammlung verschaffte. Jean-Luc Mélenchon und seine LFI sind bereits ganz auf die nächste Präsidentschaftswahl 2022 fixiert und suchen dafür Unterstützung bei den Kommunisten und anderen authentisch linken Kräften, aber auch bei linkssozialistischen Splittergruppen wie der von Benoît Hamon gegründeten Génération-s und selbst bei den Grünen. Bedingung ist, dass auch sie eine »Rupture« (Bruch) wollen, also einen echten Systemwechsel nach dem seit Jahren von rechten wie linken Präsidenten und jetzt von Macron verfolgten neoliberalen Kurs. Doch die Entscheidung von LFI, mit keinen eigenen Listen anzutreten, sondern freie Bürgervereinigungen zu unterstützen oder da, wo eine Union von Linken zustande kam, sich mit einem Platz in der zweiten Reihe zu begnügen, machte die Bewegung praktisch unsichtbar. Da dabei auch ihr Logo auf keinem der Plakate auftauchte, ging selbst weitgehend unter, dass LFI Anteil am Sieg der Linken in Marseille hatte, das nach über 20 Jahren rechter Führung jetzt eine sozialistische Bürgermeisterin bekommen hat. Dass diese Wahlstrategie ein kompletter Misserfolg war, musste Jean-Luc Mélenchon inzwischen einräumen. »Unsere Rechnung ist nicht aufgegangen«, sagte er Anfang des Monats auf einer Vollversammlung von Vertretern der Bewegung aus dem ganzen Land. »Die von uns erhoffte Mobilisierung der Volksmassen ist ausgeblieben.« Sicher nicht zuletzt, um diesen Misserfolg vergessen zu machen, will Mélenchon nun bereits Ende August während der Sommeruniversität der Bewegung seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2022 verkünden.

Die Kommunisten, auf die er dabei wieder angewiesen ist, weil sie an der Basis verankert sind und landesweit nach wie vor über funktionierende Strukturen verfügen, die Mélenchons Bewegung fehlen, werden sich wieder einmal überwinden, oder - wie man es im Französischen anschaulich ausdrückt - »Kröten schlucken« müssen. Bei der Kommunalwahl unterstützte LFI nur zu oft Listen, die sich den Sturz kommunistischer Bürgermeister zum Ziel gesetzt hatten. Das hat in manchen Fällen funktioniert, in anderen nicht. Für die KP besonders schmerzhaft war der Verlust der Pariser Arbeitervorstadt Saint-Denis, die seit 76 Jahren kommunistisch regiert wurde, an einen auch durch LFI unterstützten Sozialisten. Andererseits scheiterte eine von Grünen angeführte und von LFI unterstützte Liste, die den kommunistischen Bürgermeister von Ivry-sur-Seine stürzen wollte. Der wurde gleich im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit wiedergewählt.

Doch insgesamt setzte sich der Niedergang der Kommunistischen Partei fort. Sie, die 1977 noch landesweit rund 1500 Städte und Gemeinden regiert hatte, davon viele im »Roten Gürtel« um Paris, konnte bis heute kaum mehr als 500 halten. Die Chancen für ein Zusammengehen der französischen Linken sind also nicht groß, zumal sich ihre mit Abstand charismatischste Persönlichkeit Jean-Luc Mélenchon »nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedengeben« will, sondern »Klarheit, Konsequenz und Unnachgiebigkeit in den Ideen« verlangt. Damit dürfte der Brückenschlag zu linkssozialistischen Gruppierungen und vor allem zu den oft noch linksbürgerlich orientierten Grünen weiter auf sich warten lassen.

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