Vermögenskonzentration höher als erwartet

DIW-Stichprobe unter Millionären: Das reichste Prozent hat rund 35 Prozent des Vermögens

Dass die Vermögensungleichheit extrem hoch ist, war seit Langem bekannt. Statistiken hatten bisher aber eine Datenlücke: Millionäre waren in Bevölkerungsbefragungen kaum vertreten; daher gab es nur vage Schätzungen über ihr Vermögen. Forscher des Sozio-oekonomischen Panels am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist es nun gelungen, die Lücke zu schließen: Am Mittwoch wurde in Berlin eine Zusatzstichprobe vorgestellt, für die die Experten unter anderem aus einer Datenbank über Unternehmensbeteiligungen rund 2000 Personen repräsentativ auswählten. Ergebnis: Die oberen zehn Prozent der Bürger besitzen gut zwei Drittel des Nettovermögens; zuvor war man von 59 Prozent ausgegangen. Allein das reichste Prozent der Bevölkerung vereint rund 35 (statt knapp 22) Prozent des Vermögens auf sich. 1,5 Prozent der Erwachsenen in Deutschland besitzen ein individuelles Nettovermögen von mindestens einer Million Euro. Es handelt sich laut DIW überdurchschnittlich oft um Männer, die älter, besser gebildet, selbstständig und zufriedener mit ihrem Leben sind. Lediglich sechs Prozent kommen aus den neuen Bundesländern.

»Untersuchungen zur Vermögensverteilung in Deutschland werden ohne den bisher blinden Fleck im Bereich hoher Vermögen wesentlich aussagekräftiger«, erklärte Carsten Schröder vom Sozio-oekonomischen Panel, einer der Autoren. Laut der Studie ist die Ungleichheit hierzulande im internationalen Vergleich sehr hoch. Möchte man dem entgegentreten, sollte der Vermögensaufbau in der Breite der Bevölkerung unterstützt werden, heißt es. So könnten durch Reform der privaten Alterssicherung individualisierte Vermögenskonten eingeführt werden, in die der Staat für Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten einzahlt und auf die ab einem bestimmten Alter zugegriffen werden kann. Auch eine bessere Förderung des Immobilienbesitzes sei möglich. »Staatliche Anreize zur Vermögensbildung sollten gegenüber einer stärkeren Umverteilung von oben nach unten bevorzugt werden«, sagte Studienmitautor Markus Grabka.

Das sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband anders: Er forderte mit Blick auf die DIW-Studie eine stärkere Besteuerung hoher Vermögen, Einkommen und Erbschaften. Angesichts der durch die Coronakrise anfallenden Zusatzausgaben dürfe auch eine einmalige Vermögensabgabe kein Tabu sein. Das fordert auch der Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Fabio De Masi, denn: »Wachsende Ungleichheit gefährdet die Demokratie, weil aus wirtschaftlicher Macht auch politische Macht erwächst und Aufstieg durch Arbeit immer schwieriger wird.«

Derweil war das Geldvermögen der Deutschen laut einer aktuellen Erhebung der Bundesbank im ersten Vierteljahr 2020 um 128 Milliarden Euro oder zwei Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken. Dies sei in erster Linie »auf die Kursstürze am Kapitalmarkt« im Zuge der Coronakrise zurückzuführen.

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