Trübe Aussichten
Berliner Clubs wie das »About Blank« sehen wegen massiver Einnahmeausfälle ihre Zukunft gefährdet
Die Aussichten sind so trüb wie das Wetter: »Wir blicken sorgenvoll in den Herbst und Winter«, sagt Eli vom Kollektiv, das den linken Club »About Blank« nicht weit vom Ostkreuz in Berlin betreibt. »Wir steuern auf einen ziemlich großen Berg von Schulden zu.« Die Kulturstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne), ist am Mittwochabend zu Besuch, um sich ein Bild von der finanziellen Lage der selbst ernannten »Autonomendisco« zu machen. Wo sonst im Sommer Hunderte Menschen zu Techno tanzen, herrscht gähnende Leere. Und das liegt nicht nur am strömenden Regen, seit vier Monaten ist der Club wegen der Corona-Pandemie geschlossen. »Zurzeit geht es uns ganz okay - wir schaffen es, die Nase über Wasser zu halten«, beschreibt Eli die Lage. Die Crowdfunding-Kampagne des Clubs, bei der 130 000 Euro zusammengekommen sind, habe sie gerettet, und auch die Soforthilfen des Senats hätten geholfen.
24 000 Euro hat das »About Blank« an Fördergeldern erhalten, das entspricht vier Monatsmieten. Viele Clubs berichten von ähnlichen Fördersummen. Entsprechend groß war die Irritation über die Antwort der Senatskulturverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Georg Kössler, laut der in der Coronakrise rund 40 Berliner Clubs im Schnitt 81 000 Euro vom Senat erhalten haben. Die Clubbetreiber vermuten eine Verzerrung der Werte, da einige wenige sehr hohe Summen, die meisten aber sehr viel weniger bekommen haben. Laut Senatskulturverwaltung reicht die Spanne der Hilfen für die Monate Juni bis August von 21 000 bis 450 000 Euro. Weitere Hilfen von September bis November wurden bereits beschlossen.
Die Clubszene ist von der Coronakrise besonders hart getroffen. Während es in anderen Bereichen schrittweise Lockerungen gibt, müssen die Innenbereiche von Diskotheken geschlossen bleiben, lediglich Außenanlagen dürfen geöffnet werden. Im »About Blank« hält man sich derzeit mit einem Sektgarten über Wasser. »Das wird ganz gut angenommen«, berichtet Eli. Auch politische Initiativen und linke Chöre nutzen den Außenbereich. Auskömmlich ist das jedoch nicht: Die Einnahmen betragen aktuell gerade einmal zehn Prozent dessen, was der Club sonst im Sommer einfährt, sagt Eli. Kündigungen habe man bisher vermeiden können, die meisten Mitarbeiter*innen sind derzeit in Kurzarbeit.
Das »About Blank« hat das Glück, mit dem Bezirk einen kulanten Vermieter zu haben, dem an der Erhaltung des einzigartigen kulturellen Ortes gelegen ist. »Das ›About Blank‹ als Genossenschaft mit queerfeministischem Ansatz ist aus Friedrichshain nicht mehr wegzudenken«, sagt Clara Herrmann. Die Hälfte der Mitarbeiter*innen des Clubs sind Frauen, egal ob Bar-Personal, Techniker*in oder Türsteher*in. In der Kulturszene sei dies nicht selbstverständlich, sagt Eli, die selbst an der Tür angefangen hat. »Durch die Krise gab es einen harten Backlash, was die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern betrifft.« Umso wichtiger sei es, Orte wie das »About Blank« zu bewahren. »Es ist gerade nicht die Zeit zu feiern. Aber wenn es wieder so weit ist, kann ich mir das ohne das ›About Blank‹ nicht vorstellen, und ich glaube, so geht es vielen«, meint auch Clara Herrmann. Der Bezirk will daher den 2022 auslaufenden Mietvertrag mit dem Club bis 2026 verlängern. Und solange die geplante Stadtautobahn hier nicht gebaut wird, auch darüber hinaus.
Die Miete wird vom Bezirk allerdings nur gestundet, die finanziellen Probleme des Clubs löst das nicht. Andere Betreiber*innen müssen weiterhin die volle Miete zahlen. Die CDU fordert daher, den mehr als 140 Clubs der Hauptstadt die Miete gänzlich zu erlassen. Ihr Vorschlag: »Die Vermieter verzichten auf 50 Prozent der Miete, das Land zahlt die anderen 50 Prozent«, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Goiny, am Mittwoch der »Berliner Zeitung«.
In der Senatskulturverwaltung ist man überrascht, dass dieser Vorstoß ausgerechnet von der CDU kommt, schließlich bedeute dies einen Eingriff »in privatwirtschaftliche Vertragsverhältnisse«, so Sprecher Daniel Bartsch gegenüber »nd«. Tatsächlich sieht man derlei sozialistische Experimente bei der CDU sonst gar nicht gerne, man bedenke nur ihren Widerstand gegen den Mietendeckel oder das Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Die Kulturverwaltung steht dem Vorschlag prinzipiell offen gegenüber: »Alles, was Kultureinrichtungen und Clubs in dieser Stadt hilft, ist willkommen«, so Bartsch.
Auch Clara Herrmann würde dem »About Blank« gerne die Miete erlassen, dem Bezirk seien jedoch die Hände gebunden. »Rechtlich dürfen wir die Miete nicht erlassen«, sagt die Grünen-Politikerin. »Wenn das Land Berlin uns das erlaubt, machen wir das aber sehr gerne.« Auch private Vermieter müssten hier ins Boot geholt werden, fordert sie.
Bis es so weit ist, versucht der Club, seine Fixkosten auf ein Minimum zu senken. Schließlich kann er in naher Zukunft nicht auf Einnahmen hoffen. Die Kampagne »United We Stream«, mit der DJ-Sets aus den Clubs live im Internet übertragen werden und über die das »About Blank« ein paar Tausend Euro verdient hat, befindet sich auf dem Weg der Kommerzialisierung, und auf Sponsoring hat der linke Laden keinen Bock. Und Partys fallen auch bis auf Weiteres aus: »So richtig die Nächte durchfeiern, das wird in diesem Jahr nicht mehr passieren«, ist Eli überzeugt.
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