Ärger bei Tönnies

Tierrechtler und linke Kampagne protestieren gegen Schlachtfabrik

Seit Donnerstag wird in Rheda-Wiedenbrück wieder geschlachtet. 8000 Schweine waren es am ersten Tag. Normal sind 20 000 bis 25 000 Tiere. Nach dem Corona-Ausbruch und der knapp einmonatigen Betriebsschließung beginnt bei Tönnies wieder der Alltag. Dass sich dagegen Widerstand regt, war zu erwarten. Zum Betriebsstart landeten Greenpeace-Aktivisten mit Motorseglern auf einem Dach der Fabrik und hissten ein Transparent. Die Aufschrift: »Schluss mit dem Schweinesystem.«

Eine Aktion, die offenbar wie eine Provokation wirkte. Freitag trafen sich bis zu 250 Landwirte, um am Tönnies-Werkstor zu grillen. Eine grundsätzliche Änderung in der Fleischindustrie war nicht in ihrem Sinne. An ihren mitgebrachten Traktoren hatten sie Transparente mit Aufschriften wie »Ideologie macht nicht satt, Hunger aber Kriege« angebracht. Der Agraraktivist und »kleinbäuerlicher Massentierhalter aus dem Emsland«, Bernhard Barkmann, äußerte sich zur Kundgebung auf Twitter. Tierrechtler und Umweltverbände würden die Coronafälle bei Tönnies »instrumentalisieren«, die Debatte sei scheinheilig. Sein Fazit: »Die Zeche zahlen zur Zeit auch die Schweinehalter.«

Wie schlecht die Landwirte auf die Aktivisten zu sprechen sind, wird schnell deutlich. Denn zeitgleich hat ein Bündnis von Tierrechtsgruppen, lokalen Initiativen und Umweltgruppen zum Protest gegen Tönnies aufgerufen. Wo sich Bauern und Tönnies-Gegner treffen, kommt es zum Austausch von abfälligen Gesten; auch Beleidigungen fallen. Aktivisten von »Extinction Rebellion« nutzen die Zeit für eine Blockade der Zufahrtsstraße zur Schlachtfabrik. Nach kurzer Zeit räumte die Polizei die Blockade von knapp 25 Aktivisten.

Einen anderen Fokus hat sich die linksradikale Kampagne »Shut down Schweinesystem« (Beendet das Schweinesystem) gegeben. Während es bei der Kundgebung vor den Toren von Tönnies vor allem ums Tierwohl ging, nahm die Kampagne das ausbeuterische System der Leiharbeit in den Fokus. In der Nacht zum Freitag wurde so das Bielefelder Unternehmen »Ni.Ke. Fleischverarbeitung« Ziel einer Aktion. Mit einer Holzkonstruktion schraubten sie den Eingang des Unternehmen zu. »Der Corona-Ausbruch bei Tönnies kam nicht überraschend, denn längst ist bekannt, dass die Angestellten auf übelste Art und Weise ausgebeutet werden und sich teilweise in Schichtbetrieben die Betten teilen müssen«, erklärte Kampagnensprecher Jonas Thalberg. Außerdem kritisiert die Kampagne, dass Tönnies und seine Subunternehmer bei der Versorgung der Arbeiter während der Quarantäne versagt hätten.

Bei einer zweiten Aktion benannten die Aktivisten die Firma »Besselmann Service«, die Werksvertragsarbeiter an Tönnies vermittelt. Vor dem Firmeneingang wurde geschreddertes Papier ausgekippt. Der Schredder sei der einzige Platz, an den Werkverträge gehören, so die Demonstranten.

Werkverträge soll es in Zukunft bei Tönnies nicht mehr geben, also schon bevor dafür gesetzliche Regelungen geschafft werden. Ob das den Beschäftigten hilft, ist allerdings fraglich. Wie das »Handelsblatt« berichtete, hat Tönnies in der vergangenen Woche 15 neue Firmen beim Amtsgericht Gütersloh eintragen lassen. Sie tragen die Namen »Tönnies Production« und sind durchnummeriert. »Wir haben die Firmen gegründet, um die Mitarbeiter bei 100-prozentigen Tochterunternehmen einzustellen«, teilte ein Konzernsprecher dem »Handelsblatt« mit. Bei der Gewerkschaft NGG gibt es Zweifel, dass die Tochterunternehmen die Situation der Arbeiter verbessern. Die Gründung der Tochterfirmen nähre den Verdacht, dass »neue Konstruktionen« das alte System fortführen sollen.

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