Akelius will Kasse machen

Konzern beginnt in Berlin mit Verkauf von in Eigentum umgewandelten Mietwohnungen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Immobilienkonzern Akelius will einen Teil seiner über 14 000 Berliner Wohnungen als Einzeleigentum verkaufen. »Das machen wir schon seit geraumer Zeit in Hamburg, in Berlin werden wir das in kleinem Umfang testen«, kündigt Max Heldt im Gespräch mit »nd« an. Er ist beim international agierenden Konzern des schwedischen Milliardärs Roger Akelius für die Wohnungen in den zentralen Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf zuständig. »Es geht um ein Objekt in Wilmersdorf und eines in Mitte, die vollständig modernisiert sind oder wo dies bei freiwerdenden Wohnungen geschehen wird«, sagt Heldt. Die genauen Adressen will er nicht nennen.

Zunächst sollen leerstehende Wohnungen verkauft werden. »Wir machen das, weil uns gerade in diesen beiden Objekten Mieter gefragt haben, ob sie kaufen könnten«, so der Akelius-Manager. »Sollte ein Mieter nicht kaufen wollen, würden wir in einem letzten Schritt auch an Kapitalanleger herantreten. Allerdings mit einem expliziten, im Kaufvertrag verankerten Schutz für den Mieter«, versichert Heldt. Damit gibt er freilich nur die Gesetzeslage in Milieuschutzgebieten wieder, wo Eigentumswohnungen bis zum Ablauf der gesetzlichen Fristen Mietern angeboten werden müssen. Aus Berlin verabschieden will sich der Konzern laut Max Heldt allerdings nicht. »Wir wollen weder einzelne Wohnungen noch ganze Häuser im größeren Stil verkaufen.«

Dass das die ganze Wahrheit ist, glaubt man bei der Berliner Vernetzung von Akelius-Mieter*innen nicht. »Für ein Drittel der Wohnungen liegt bereits eine Abgeschlossenheitsbescheinigung vor«, heißt es dort. Damit ist die Aufteilung in Einzeleigentum amtlich gestattet. »Der Prozess des Verkaufs dieser Eigentumswohnungen kann somit in großem Stil begonnen werden.« Die Erkenntnisse stammen aus Antworten auf Kleine Anfragen in den Berliner Bezirken. So wurde bekannt, dass allein in Neukölln für 46 der 128 Akelius-Häuser Abgeschlossenheitsbescheinigungen vorliegen. Auffällig war, dass über die Hälfte davon im Jahr 2016 beantragt worden ist.

Das sei »eher dem Zufall geschuldet«, beteuert Max Heldt. »Dazu benötigt man zunächst ein Gebäudeaufmaß, das wir für unsere Sanierungen sowieso erstellen lassen. Wenn diese vorliegen, führen wir immer auch eine Aufteilung durch.« In Treptow-Köpenick, Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg ist die Quote wesentlich geringer.

Tatsächlich würde der Verkauf von Eigentumswohnungen in Berlin in größerem Stil durchaus zum Geschäftsmodell von Akelius passen. In Geschäftsberichten des Unternehmens wird diese Möglichkeit für Deutschland immer wieder explizit genannt. Damit könnten die Risiken »negativer Effekte durch Regulierung gemildert« werden, heißt es. »Wir verkaufen auch an Mieter, falls der Preisunterschied zwischen Miet- und Eigentumswohnungen groß ist«, schreibt der Konzern beispielsweise im Bericht für 2015. Während die Mieten in Berlin je nach Report derzeit stagnieren oder gar sinken, sind die Preise für Eigentumswohnungen weiter gestiegen.

Der kürzlich abgelöste Konzernchef Pål Ahlsén soll noch bei der Vorstellung der Zahlen für das erste Quartal 2020 im Mai von einem Privatisierungsplan gesprochen haben. Der Berliner Bestand soll demnach maximal noch 15 Prozent des Gesamtportofolios ausmachen. Derzeit liegt er nach Anzahl der Wohnungen bei einem Drittel, nach dem Wert bei einem Viertel des Gesamtbestands. »Der Konzern ist deshalb vom Mietendeckel massiv betroffen - und will deshalb diesen Anteil deutlich verkleinern«, heißt es von der Mieter*innenvernetzung. Das gehe sicher nicht alleine durch Neuinvestitionen. Heldt entgegnet: »Wir müssen nicht in Berlin verkaufen, um woanders zu investieren.«

»Will Akelius uns für dumm verkaufen?«, fragt die Vernetzung. Für sie ist klar: »Akelius will uns Mieter*innen, die Bezirke und das Land Berlin vor vollendete Tatsachen stellen. Genau deshalb brauchen wir jetzt das Umwandlungsverbot, das derzeit auf Bundesebene diskutiert wird.«

Der Mietendeckel hat Einfluss auf den Konzern. »Wir haben sofort, als der Entwurf des Mietendeckels vom Senat veröffentlicht worden ist, alle Investitionen gestoppt. Wir richten die Wohnungen nur noch sauber, sicher und funktional her«, berichtet Max Heldt. »Wir sind froh, dass die Zeit der sinnlosen Dauermodernisierungen vorbei ist, die weder ökologisch sinnvoll noch im Interesse der Mieter*innen sind«, erklären die Betroffenen. Denn diese hätten vor allem der Umgehung der Mietpreisbremse und der Mietenmaximierung gedient. Ein willkommener Nebeneffekt für Akelius sei die erhöhte Fluktuation durch ständige Baumaßnahmen.

30 Millionen Euro pro Jahr würden laut Heldt nun nicht mehr in die Modernisierung der Wohnungen gesteckt. »In die Herrichtung von Allgemeinflächen, die Schaffung von neuem Wohnraum durch Dachgeschossausbau oder Nachverdichtung sowie die energetische Sanierung hätten wir in den nächsten fünf Jahren eine halbe Milliarde Euro investieren wollen«, sagt der Akelius-Manager. Das wurde nun alles gestrichen. Im April seien im Baubereich und bei der Hausverwaltung 58 Stellen abgebaut worden. »Wenn Akelius wirklich etwas an den Menschen in Berlin gelegen wäre, dann würden sie beim Hauskauf die Grunderwerbsteuer zahlen und nicht mit Share Deals Steuervermeidung betreiben«, kommentiert die Mieter*innenvernetzung bissig. Der Gewinn übersteige die Investitionen deutlich und lande am Ende in privaten Stiftungen auf den Bahamas. Viel will Heldt dazu nicht sagen, außer: »Wir sind in Deutschland mit GmbHs vertreten und steuerpflichtig. Die entsprechenden Steuern führen wir hier ab.«

Akelius, für exorbitante Mieten bekannt, schreibt Preise in Neuverträge, die teilweise mehr als fünfmal höher als laut Mietendeckel zulässig sind. »Schattenmieten« werden diese genannt. »Der Mieter weiß auf diese Weise, was auf ihn zukommen kann, wenn das Gesetz für verfassungswidrig erklärt werden sollte«, erläutert Heldt. Selbst Mieterhöhungsverlangen, die nicht mit dem Mietendeckel in Einklang stehen und von der Stadtentwicklungsverwaltung für illegal angesehen werden, will er nicht ausschließen. »Wir würden auf unserer Sicht der Rechtslage bestehen«, so Heldt.

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