- Politik
- Polen nach der Präsidentenwahl
Testballon und Arbeitsteilung auf Kosten von Frauen
Stephan Fischer zu Überlegungen in Polen, aus der Istanbul-Konvention auszusteigen
Das Geschäft mit der medialen Aufregung beherrscht die polnische Rechte gut – ebenso das Prinzip der Arbeitsteilung. Beispielhaft ist dies am jüngsten Vorstoß des polnischen Justizministers Zbigniew Ziobro zu beobachten. Ziobro hat laut darüber nachgedacht, dass Polen die sogenannte Istanbul-Konvention, die als völkerrechtlicher Vertrag ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist, zu verlassen. Polen hat ihn 2015 ratifiziert, Ziobro will jetzt dem zuständigen Familienministerium einen Vorschlag zum Austritt Polens aus dem Abkommen unterbreiten – und damit Wahlversprechen seiner rechten Partei SP (Solidarisches Polen) einlösen. Es fällt dann noch das Stichwort »Gender-Ideologie«. Und auch sonst sieht der ganze Vorgang nach Polarisierung und Wahlkampf aus – den hat aber der rechte polnische Präsident Andrzej Duda nach seiner knappen Wiederwahl eigentlich beenden wollen. Noch am Wahlabend hatte er versöhnliche Töne angeschlagen, nachdem er im Wahlkampf genau auf Polarisierung setzte.
Ziobro will und kann sich und seine Partei innerhalb des rechten Lagers als Europaskeptiker profilieren. Während Duda jetzt wie ein »Präsident aller Polen« wirken will, wendet sich Ziobro an die rechte Kernwählerschaft. Während Duda in die Mitte rücken will, kann Ziobro seine ohnehin starke Position am rechten Rande der Regierung stärken. Es ist zu erwarten, dass es weitere Vorstöße neben dem aktuellen Testballon in diese Richtung geben wird, sei es beim Thema Abtreibungsrecht oder auch LGBT-Rechte. Wie viel von diesen Vorstößen dann reale Politik wird, kann im Vorhinein kaum beantwortet werden, was auch eine Mobilisierung von weithin sichtbarem Widerstand erschwert. Aber nur jener hat die Vorhaben der PiS-geführten Regierung bisher verhindern können.
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