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Rückendeckung für den Fall der Fälle
Rechtsschutz für Mieter (Teil 1)
Mit einer Mitgliedschaft im Berliner Mieterverein (BMV) ist eine Prozesskostenversicherung für das Mietrecht verbunden. Die Kosten für die Versicherung sind im Mitgliedsbeitrag bereits enthalten. Der BMV hat dazu einen Gruppenvertrag mit der Rechtsschutzversicherung des Deutschen Mieterbundes (DMB) abgeschlossen. Den bei Versicherungen üblichen Selbstbehalt - hier 150 Euro - übernimmt der BMV für seine Mitglieder.
Das bedeutet: Egal, ob man von seinem Vermieter verklagt wurde oder selber Klage einreichen will, ob es zum Amtsgericht oder Landgericht geht, es entstehen keinerlei Kosten - vorausgesetzt, der Versicherer erteilt die Deckungszusage. Wie bei vielen anderen Versicherungen auch tritt der Versicherungsschutz allerdings erst nach dreimonatiger Mitgliedschaft ein. Eine rechtzeitige Mitgliedschaft bringt also Vorteile. »Das größte Problem ist, dass viele erst in den Mieterverein eintreten, nachdem sie eine Kündigung oder eine Mieterhöhung erhalten haben«, erklärt Isabell Pohl, die beim BMV für alle Fragen rund um die Prozesskostenversicherung zuständig ist.
Was gilt als Datum des Schadenseintritts?
Bereits schwelende Fälle, die vor Ablauf der Wartefrist entstanden sind, können nicht übernommen werden. Das ist branchenüblich und auch nachvollziehbar. Versicherungen beruhen auf dem Prinzip der Vorsorge für die Zukunft. Erst dann einzutreten, wenn man gleich anschließend die Versicherung in Anspruch nehmen will, funktioniert nicht. Die zentrale Frage lautet daher: Ist der sogenannte Schadensfall vor dem Beitritt zum BMV entstanden oder erst danach?
Nicht immer ist das so eindeutig wie bei einer Kündigung oder einer Mieterhöhung, wo der Zugang des Schreibens maßgeblich ist. Wer beispielsweise erst dann Mitglied wird, wenn sein Vermieter eine Klage auf Duldung der Modernisierung eingereicht hat, darf in der Regel nicht auf Versicherungsschutz hoffen. Denn in diesem Fall wäre bereits der Eingang der Modernisierungsankündigung der Schadenseintritt.
Will man die Einhaltung der Mietpreisbremse oder des Mietendeckels rügen, ist das Datum des Mietvertragsabschlusses beziehungsweise des Inkrafttretens der entsprechenden Vorschrift maßgeblich. Wer zum 1. März 2020 in eine neue Wohnung gezogen ist und erst im April Mitglied im Berliner Mieterverein wird, kann keine Kostendeckung bekommen, wenn er oder sie gegen eine überhöhte Miete vor Gericht ziehen muss - auch nicht ein halbes Jahr später.
Geht es um eine beanstandete Untervermietung, gilt deren Beginn, und nicht etwa die erste Abmahnung oder gar die Kündigung als Datum des eingetretenen Versicherungsfalls. Ob sich die Versicherung auf die Vorvertraglichkeit von Pflichtverletzungen berufen kann, hängt davon ab, wie lange die Pflichtverletzung her ist, was im Einzelfall geprüft wird.
Probleme kann es auch bei Wohnungsmängeln geben. Mindern Mieter über einen längeren Zeitraum die Miete und erhalten eine Zahlungsklage oder die Kündigung, wird keine Kostendeckung gewährt, wenn der Mangel in der dreimonatigen Wartezeit aufgetreten ist, da das ein vorvertraglicher Versicherungsfall wäre.
Bei Betriebskostenabrechnungen ist der Zugang der Abrechnung das streitauslösende Ereignis. Wenn man sich aber schon seit Jahren über einen bestimmten Posten - etwa die Hauswartskosten - streitet, kann das als Vorvertraglichkeit gewertet werden. »Das können viele Mieter nur schwer nachvollziehen«, weiß Isabell Pohl.
Jessica Jonas vom Vorstand der DMB Rechtsschutz-Versicherung AG sagt dazu. »Sie können auch keine Kfz-Versicherung abschließen, wenn der Unfall bereits passiert ist.« Die Kölner Rechtsschutzversicherung wurde 1982 vom DMB gegründet, weil man damals mit den Versicherungsangeboten am Markt unzufrieden war. »Wir bieten nur Rechtsschutz an und sind von anderen Unternehmen unabhängig«, betont Jessica Jonas. »Hinter uns stehen keine Fremdaktionäre, wir sind zu 100 Prozent in den Händen der deutschen Mietervereine und ihrer Dachorganisationen.«
Manche Mietervereine bieten keine Rechtsschutzversicherung an, bei anderen ist die Gebühr dafür nicht im Mitgliedsbeitrag enthalten. Auch den Selbstbehalt muss man bei einigen - anders als beim Berliner Mieterverein - als Mitglied selbst übernehmen.
Einige Berliner Besonderheiten
Eigentlich sind nach dem Gruppenvertrag gerichtliche Auseinandersetzungen um Abfindungen ausgeschlossen. Hier gibt es jedoch eine Sonderregelung, wonach die Kosten übernommen werden können, wenn ein Aufrechnungsverbot eindeutig vereinbart wurde. Das heißt: In der Abfindungsvereinbarung muss klar geregelt sein, dass der Vermieter nicht mit anderen Forderungen, beispielsweise vermeintlichen Mietrückständen wegen Mietminderung, aufrechnen darf.
Zudem gibt es in der Hauptstadt einige Besonderheiten, die zu berücksichtigen sind. In keiner anderen Stadt gibt es so viele Wohngemeinschaften und Untermietverhältnisse. Das kann zu diversen Problemen führen. So können Anwälte eine höhere Gebühr verlangen, wenn sie es mit mehr als einem Mandanten zu tun haben.
Versicherungsschutz besteht aber nur für Mitglieder, das heißt, wenn der Mitbewohner oder Lebensgefährte nicht Mitglied im Mieterverein ist, werden diese Extra-Gebühren nicht übernommen. Ausgenommen davon sind lediglich Ehepartner. »Wir empfehlen grundsätzlich, dass alle Haushaltsangehörige Mitglieder werden«, so Isabell Pohl.
Weiterhin gilt der Rechtsschutz nur für die selbstbewohnte Wohnung. Wer seine Wohnung komplett oder zu mehr als 50 Prozent untervermietet hat und woanders wohnt, kann im Falle eines Rechtsstreits keine Deckung erhalten.
Auch bei überzogenen Schadenersatzansprüchen legt die Versicherung mitunter ihr Veto ein. »Ich hatte kürzlich den Fall, dass Mitglieder eine 40-Stunden-Woche für die Ausräumung eines Kellers als Aufwendung geltend machen wollten«, berichtet Isabell Pohl. In einem anderen strittigen Fall wollten Mieter Schadensersatz wegen einer Bleivergiftung durch Wasseranschlüsse beanspruchen. Da ein solcher gesundheitlicher Zusammenhang schwer zu belegen ist, wäre ein Prozess vermutlich nicht von Erfolg gekrönt gewesen.
Alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft?
Regelmäßig trifft sich Isabell Pohl mit Vertretern der DMB-Rechtsschutzversicherung, um strittige Fälle zu besprechen. »Wir schauen uns jeden Fall einzeln an und finden auch meistens eine Lösung«, erklärt Isabell Pohl. So war es auch bei einer Mieterin, die auf eine Genehmigung zur Hundehaltung klagen wollte. Nach dem Tod ihres Hundes wollte sie sich einen neuen anschaffen, doch der Vermieter verweigerte die Zustimmung. Die Prozesskostenversicherung lehnte eine Deckung zunächst aus »Gründen der Schadensminderung« ab. Doch dem BMV gelang es, die Versicherung umzustimmen.
»Sinnvolle Feststellungsklagen werden üblicherweise ohne Probleme übernommen«, stellt Isabell Pohl klar. Wer beispielsweise seinen Vermieter auf die Instandsetzung einer maroden Gastherme verklagen will oder die Mieterhöhung nach einer Modernisierung überprüfen lassen möchte, wird keine Schwierigkeiten haben - vorausgesetzt, alle Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung sind ausgeschöpft und man hat seine Mitgliedsbeiträge bezahlt.
Anders sieht es aus, wenn ein Mieter über eine Kündigung so empört ist, dass er nicht abwarten will, ob der Vermieter Klage einreicht, sondern die Unwirksamkeit der Kündigung von sich aus vor Gericht feststellen lassen möchte. »Das macht keinen Sinn - es wäre sogar ein Anwaltsfehler«, so Pohl. Daher werden Prozesse solcher Art zu Recht von der Rechtsschutzversicherung abgelehnt.
Nicht zu rütteln ist auch an dem Grundsatz, dass man während des Verfahrens nicht den Anwalt wechseln kann - beziehungsweise den zweiten Anwalt dann aus eigener Tasche zahlen muss. »Es kommt zuweilen vor, dass man mit dem Anwalt unzufrieden ist oder die Chemie einfach nicht stimmt«, weiß Isabell Pohl. Doch wechseln kann man erst dann, wenn ein Gebührenanspruch abgeschlossen ist, also wenn die erste Instanz beendet ist und es zur zweiten geht. Oder wenn zusätzlich eine Einstweilige Verfügung erwirkt werden soll.
Es versteht sich von selbst, dass die Deckungszusage keine Blanko-Kostenübernahme für alle anliegenden Streitigkeiten mit dem Vermieter ist. Aber manchmal wird vor Gericht ein Vergleich geschlossen, der auch nicht-rechtsanhängige Ansprüche beinhaltet.
Ein Beispiel: Man streitet sich mit dem Vermieter um eine Mietminderung, kombiniert das dann aber vor Gericht plötzlich mit der Frage der Hundehaltung. Gebührenrechtlich führt das zu einer Erhöhung der Kosten, dem sogenannten Vergleichsmehrwert. Diesen trägt die Versicherung nicht ohne Weiteres. Wenn Mieter dann für die höheren Kosten in Anspruch genommen werden, verstehen sie die Welt nicht mehr, so Pohl: »Auch hier haben wir eine Sonderregelung, die besagt, dass das im Einzelfall im geringen Umfang mitgetragen werden kann.« Die Anwälte müssten jedoch davon Kenntnis haben und sie haben zudem eine Hinweispflicht, dass für den Mandanten eventuell Kosten entstehen.
Aus: MieterMaganzin 6+7/2020
Im nd-ratgeber vom 29. Juli 2020: Zum Ablauf des Rechtsschutzes und zur Prozesskostenhilfe.
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