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Gold kann ich nicht pflanzen und essen
In Kolumbien wehren sich Bauern gegen den Minenkonzern Anglogold Ashanti
Soledad, Einsamkeit, heißt das kleine Dorf, an dessen Rand Ariel Velásquez wohnt. Der quirlige Mann genießt einen beneidenswerten Blick in das Tal, durch das sich der Río Cauca windet. Gut 1000 Meter über dem zweitgrößten Fluss Kolumbiens lebt der Mittdreißiger. Sein Vater hat das gemeinsame Haus auf einer schmalen Felsnase gebaut, die sich vom Hochplateau abgespreizt hat, auf dem das Dorf angesiedelt ist. Abgelegener und eindrucksvoller lässt sich kaum leben. Der Weg ist schmal, das Gefälle stattlich, und auch die Kaffeesträucher stehen oftmals an steilen Hängen. Ariel Velásquez hat für die staunenden Blicke der Besucher nur ein Schmunzeln über und führt sie noch ein Stück höher, zur Aussichtsplattform über dem in Gelb und Rot gestrichenen Haus, von wo man den besten Blick hat.
Dann deutet er nach unten ins Tal, wo die ersten Betonfundamente bereits gegossen sind. Mit bloßem Auge sind sie kaum zu erkennen, aber Ariel ist vorbereitet und reicht das Fernglas. »Da unten wollen sie in den Fels bohren, mehrere Tunnel über Kilometer durch den Fels treiben, um Kupfer, Gold und einige andere Metalle zu fördern - ein Verbrechen«, sagt er mit gepresster Stimme und fährt fort: »Sie setzen unsere Existenz aufs Spiel, denn wir leben in einem fragilen Ökosystem, das uns derzeit gerade noch genug Wasser für alle liefert. Ashanti droht das nachhaltig durcheinanderzubringen.«
Ashanti nennen die 35 Bauernfamilien des kleinen Weilers La Soleded, der rund drei Fahrtstunden südwestlich von Medellín liegt, das südafrikanische Bergbauunternehmen Anglogold Ashanti. Der Konzern hat die Erkundungsarbeiten abgeschlossen und Ende 2019 den verantwortlichen Behörden das Umweltgutachten zugestellt. Bei denen liegt nun die Entscheidung, ob gefördert wird oder nicht. Dagegen engagieren sich Bauern wie Ariel Velásquez, der vom Anbau von Kaffee, Bananen sowie Nahrungsmitteln für den Eigenbedarf lebt, seit mehreren Jahren.
Im Dorf Soledad sind die Verhältnisse recht klar: Von den 35 Familien ist die deutliche Mehrheit gegen die Mine des transnational agierenden Konzerns aus Johannesburg, so Rodolfo Tobón, der gewählte Sprecher des Dorfes. Der schlaksige Mann wohnt ein paar Hundert Meter von Ariel Velásquez entfernt, gleich um die Ecke der Fonda von Don Hernán. In dem Laden, eine Mischung zwischen Tante-Emma-Laden und Trinkhalle, trifft sich hin und wieder Mesa Ambiental, die Umweltorganisation von Jericó, und deshalb steht vor der Tür auch ein Zelt mit dem Aufdruck »Kein Bergbau in Jericó«.
Den Slogan teilen nicht alle in der Region um Jericó. Viele Politiker, darunter der Bürgermeister, stehen auf der Seite des Bergbaukonzerns, dessen Büro sich gleich oberhalb des von bunt gestrichenen Kolonialgebäuden gesäumten Marktplatzes in Jericó befindet. Ashanti habe sie bereits im Wahlkampf unterstützt, sind sich Rodolfo Tobón und Ariel Velásquez sicher. »Ein Gramm Gold kann ich nicht einpflanzen, kann es nicht essen. Ein Bananen- oder Kaffeesetzling produziert langfristig. Was passiert, wenn die Vorkommen erschöpft sind, was bleibt?«, fragt Tobón und runzelt die Stirn. Er macht sich Sorgen um die Zukunft des Dorfes und auch um dessen soziale Struktur. »Hier tun sich Gräben auf, manchmal innerhalb von Familien. Unser Zusammenleben, unser soziales Dach, hat erste Risse«, klagt er.
Quebradona, so hat der Konzern die Mine in Anlehnung an einen Fluss getauft, um ihr etwas Lokalkolorit zu verleihen. Die Mine spaltet die Bevölkerung, und das gibt auch Fernando Jaramillo zu, der Koordinator der Mesa Ambiental, der Umweltorganisation, die sich in den vergangenen Jahren in Jericó gegründet hat und mit Fakten und Argumenten gegen den Bergbau aufwartet: »Die Region um Jericó und Nachbarstädte wie Támesis oder Pueblorrico ist durch eine gewachsene Kulturlandschaft gekennzeichnet, ist vom Kaffeeanbau geprägt wie die berühmte Eje Cafetero. Die steht auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes. Jericó immerhin auf der nationalen Liste«, argumentiert der Fremdsprachenlehrer, der rund 20 Jahre in Deutschland gelebt hat. Dort hat er den Denkmalschutz schätzen gelernt und auch die Arbeit von Bürgerinitiativen.
Die Umweltorganisation Mesa Ambiental ist auf Initiative von Bürgern entstanden. Sie ist regelmäßig in Jericó, aber auch den Nachbarstädten aktiv, wo unter anderem die monatlich erscheinende Zeitung »Aufwachen Jericó« verteilt wird. Sie wird durch Spenden in Form einer Tombola finanziert und sorgt für ein Gegengewicht zur medialen Ashanti-Präsenz, die sich mit ganzseitigen Anzeigen immer wieder zu Wort melden und für einen umweltverträglichen Bergbau werben. Doch diese Darstellung hat tiefe Risse erhalten. Bei den Erkundungsarbeiten kam es zu einem Unfall, wobei ein Fluss kontaminiert wurde. Bei Bohrungen wurde eine weitere Quelle touchiert, was lokale Bauern wie Ariel Velásquez und Rodolfo Tobón zu Straßenblockaden veranlasst hat. Hinzu kommt, dass die regionale Pensionskasse Comfama ihren Plan, einen großen Erholungs- und Freizeitpark vor den Toren von Jericó zu bauen, im Juni 2020 offiziell storniert hat. Nach mehreren Umweltstudien kam das Unternehmen zu dem Ergebnis, dass Bergbau und ein Erholungspark in direkter Nachbarschaft nicht kompatibel seien. 1500 Arbeitsplätze für die Region sind damit futsch, und auch das hat dazu geführt, dass die Pläne des Bergbaukonzerns mehr und mehr kritisch hinterfragt werden.
Die Dimension der Mine ist gewaltig. In 21 Jahren sollen neben 2,2 Millionen Unzen Gold nicht weniger als 2,9 Millionen Tonnen Kupferkonzentrat gefördert werden. Aus der Mine soll neben Kupfer auch Silber und Molybdän gewonnen werden. Ein Megaprojekt, so Geologen wie Julio Fierro von der Nationaluniversität in Bogotá, der ein Gutachten für Mesa Ambiental von Fernando Jaramillo erstellt hat. Die Kosten dafür stottern die Mitglieder der Umweltorganisation, zu der auch größere Betriebe gehören, noch ab. Das Gutachten könnte das Blatt gegen den Bergbaukonzern wenden, denn es deckt Widersprüche und Fehler im Umweltgutachten von Ashanti auf. Gründe, weshalb Ashanti trotz aller finanziellen Potenz derzeit mehr und mehr aus der Defensive agiert.
Jericó hat in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen. Mehr und mehr Touristen kommen, ein internationales Kulturfestival hat den Weg in die Kleinstadt mit 15 000 Einwohnern gefunden, die mit ihrer kolonialen Architektur und der Landschaft ein nationales Kulturdenkmal ist. Obendrein hat Jericó mit der Santa Laura auch noch eine Heilige vorzuweisen, die mehr und mehr Gläubige in die Kleinstadt führt. Zudem bangen immer mehr Bauern, darunter auch Großgrundbesitzer, in der Region um den Wert ihres Landes. Zu denen gehört auch Leon Jairo, der eine Avocado-Plantage mit mehreren Hundert Hektar Fläche betreibt. »Es gibt keinen sicheren Bergbau. Wir wollen mit der Mine nicht um das Wasser konkurrieren, sehen die Zukunft der Region im Tourismus und im Anbau«, sagt der stämmige Großgrundbesitzer, der wie viele in der Region einen Cowboy-Hut trägt.
Dieser Wandel in der Wahrnehmung der lange unbekannten Kleinstadt hat viel mit der beharrlichen Arbeit von Fernando Jamarillo und der Mesa Ambiental zu tun. Sie wird von einem der kompetentesten Umweltanwälte Kolumbiens vertreten, der auf die negativen Beispiele im Land und der Region mit dem Kupfer- und Goldbergbau verweist. Dies, aber auch die Frage nach den langfristigen Perspektiven der Region, wo der Lebensstandard der Menschen dank exzellenter Kaffeequalität sowie Bananen- und Zitrusfruchtexporten ungewöhnlich hoch ist und es keinen bewaffneten Konflikt gibt, hat auch außerhalb der Region zum Nachdenken geführt. Anfang Juli hat einer der einflussreichsten Politiker Kolumbiens, der erzkonservative Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez, sich per Twitter als Gegner der Mine geoutet.
All das hat die Hoffnung bei Jaramillo und den Gegnern des Bergbaus geschürt, die rund sechzig Prozent der Bevölkerung stellen. Doch laut der Nationalregierung in Bogotá ist der Bergbau politisch gewollt und gilt als Lokomotive der kolumbianischen Wirtschaft. Deshalb taxiert Jaramillo die Chancen auf einen Erfolg gegen Ashanti auf nicht mehr als fünfzig Prozent - in Kolumbien ist das aber schon mehr als ein Achtungserfolg.
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