Klimaschutz an der Außengrenze

Die EU bereitet die Einführung einer Abgabe für Importe mit niedrigen Umweltschutzstandards vor

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich soll das in der EU geplante CO2-Grenzausgleichssystem der Industrie helfen. Zweck des Instrumentes soll es sein, europäische Unternehmen vor einem Wettbewerbsnachteil schützen, wenn importierte Produkte außerhalb der EU unter schwächeren Klimaschutzauflagen billiger produziert wurden. Dann soll, so zumindest wollen es die EU-Kommission sowie die Staats- und Regierungschefs, ein Ausgleich fällig werden und so verhindern, dass die Produktion in Länder mit niedrigen Klimaschutzvorgaben abwandert. Die genaue Ausgestaltung ist derzeit aber noch völlig unklar.

»Wer verursachergerechten Klimaschutz will, muss auch die Industrie zur Verantwortung ziehen«, sagt Ulf Sieberg vom Verein CO2-Abgabe. Richtig gemacht, halte ein Grenzausgleich die europäische Industrie langfristig am Leben und bewahre sie vor Klimaschutzdumping.

Für exportlastige Wirtschaftsverbände sind die Pläne zum CO2-Grenzausgleich dennoch ein rotes Tuch: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt das Instrument rundweg ab, denn dieses sei ein »Eingangstor für Protektionismus und handelspolitische Gegenmaßnahmen«. Auch Ines Zenke vom Wirtschaftsverband der SPD fürchtet Gegenbewegungen anderer Staaten, die ihrerseits der EU verschärfte Importbedingungen auferlegen.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband macht ebenfalls Stimmung gegen die Abgabe. Es sei unklar, ob der Ausgleich mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform gehen könne, hieß es vor wenigen Tagen bei einer Online-Pressekonferenz. Fachleute wie die Volkswirtin Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik versichern aber, dass dies möglich ist.

Allerdings gibt es Wirtschaftsbereiche, die dem Vorstoß der EU-Kommission einiges abgewinnen können. Energieintensive Branchen wie Stahl, Aluminium und Zement fürchten die Konkurrenz aus dem Nicht-EU-Ausland, wenn Energie- und CO2-Preise weiter steigen und wegen schärferer Vorgaben die Produktion klimafreundlicher werden muss. Wenn beispielsweise ein Unternehmen Zementklinker aus dem Ausland importiert, unterliegen diese derzeit nicht dem Europäischen Emissionshandelssystem - und damit keinem CO2-Preis. Daher wird gefordert, dass beim Import solcher Produkte an der Grenze entsprechende Zertifikate vorgelegt werden müssen, damit die Hersteller innerhalb und außerhalb der EU gleichgestellt sind. Das Risiko des sogenannten Carbon Leakage wäre gebannt.

Bislang vermindert die EU-Kommission dieses Risiko, indem sie emissionsintensiven Branchen einen höheren Anteil kostenloser CO2-Zertifikate gewährt. Weil die EU aber ihre Klimaziele verschärfen will, muss die Menge der Zertifikate im Emissionshandel verringert werden.

Hier käme nun das geplante CO2-Grenzausgleichssystem ins Spiel, das laut Beschluss des jüngsten EU-Gipfels ab 2023 eingeführt werden soll. Die EU-Kommission hat dazu nun eine öffentliche Konsultation eingeleitet und will frühestens Mitte nächsten Jahres einen ersten Entwurf vorlegen.

Brüssel diskutiert drei Möglichkeiten für die Ausgestaltung, wie Volkswirtin Dröge erläutert: als Zoll, Steuer oder als Verpflichtung für Importeure, sich am Emissionshandel der EU zu beteiligen. Zölle seien handelspolitisch am schwierigsten zu begründen. Rechtlich einfacher wäre eine Steuer, die zunächst auf innerhalb der EU hergestellte Güter eingeführt wird, um sie dann auch auf Importe anwenden zu können. Komplexer wäre die Anwendung des Emissionshandels auf Industrieimporte - die Kommission müsste dabei begründen, dass der Preis der CO2-Zertifikate handelsrechtlich einer Steuer gleichzusetzen ist.

Wichtig ist laut Dröge, dass die Abgabe lediglich bei Materialien und Grundstoffen angesetzt wird. Zwar wäre es ideal, alle Güter während des Produktionsprozesses entlang ihres CO2-Gehalts zu besteuern und dann bei Import beziehungsweise Export einen Grenzausgleich zu erheben beziehungsweise zu erstatten. Allerdings hält die Ökonomin das für nicht durchsetzbar: »Diese Diskussion führen wir schon seit 2007, aber eine Steuer dieser Art ist politisch ein sehr dickes Brett.«

Unabhängig davon, wie das System am Ende aussehen wird, es hätte einen entscheidenden Vorteil: Die EU könnte anderen Ländern ihre strengen Klimastandards aufzwingen. Für Unternehmen außerhalb der EU könnte es sich finanziell auszahlen, sich an diese Standards anzupassen und ihre Produktionsemissionen zu senken.

Dabei kommt es nicht zuletzt auf die Höhe der Abgabe an: Wäre sie zu hoch, würden ausländische Unternehmen übermäßig belastet; wäre sie zu niedrig, wären Firmen in der EU weiter benachteiligt - die Gefahr des Abwanderns wegen hoher Klimaschutzauflagen wäre dann doch nicht gebannt.

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