- Politik
- Rheinmetall
Gegen die Meister des Krieges
Aktionskonzert der Gruppe Lebenslaute beim Rüstungskonzern Rheinmetall
Am Montagmorgen mussten Beschäftigte des Rüstungskonzerns Rheinmetall in ihrer Zentrale im niedersächsischen Unterlüß längere Wege auf sich nehmen, um zur Arbeit zu gelangen. Denn insgesamt fast 100 Musiker der Gruppe Lebenslaute hatten bereits ab 5.40 Uhr unter dem Motto «Mit Klang und Schall - entwaffnet Rheinmetall» mit insgesamt rund 50 Autos alle vier Hauptzugänge der Waffenfabrik blockiert.
Einmal jährlich spielen die Künstler*innen von Lebenslaute überwiegend klassische Musik in Chor- und Orchesterstärke an Orten, an denen dies nicht erwartet wird. In den letzten Jahren traten sie unter anderem an Truppenübungsplätzen, Abschiebeflughäfen und Raketendepots auf, um unter anderem gegen Militarisierung und menschenunwürdige Behandlung Geflüchteter zu demonstrieren. Im vergangenen Jahr protestierten sie vor dem Erstaufnahmelager für Geflüchtete in Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern («nd» berichtete). Anders als 2019, als Musiker*innen nach ihrem Konzert eingekesselt wurden und ihre Personalien abgeben mussten, hielt sich die Polizei in Unterlüß zurück.
Um 10.30 Uhr fanden sich die Musiker*innen in der Nähe des Haupteingangs des Sitzes von Rheinmetall Defence ein. Um elf Uhr begann die Protestaktion in Form eines zweistündigen Konzerts vor rund 100 Zuhörern. Aufgeführt wurde unter anderem Bob Dylans Song «Masters of War». Lebenslaute-Sprecherin Cornelia Weigel wies in einem Redebeitrag darauf hin, dass Rheinmetall in Unterlüß «Waffen und Munition sowie Komponenten für Panzer» produziert. «Hier betreibt er Europas größtes privates Waffentestgelände und macht Milliardengeschäfte mit dem Tod», fügte sie hinzu.
«Darthulas Grabgesang» von Johannes Brahms widmeten die Musiker*innen den während der Nazizeit im Außenlager Tannenberg des KZ Bergen-Belsen inhaftierten 900 jüdischen Frauen, die in Unterlüß Rüstungsgüter herstellen mussten. «Die Zwangsarbeiterinnen bei Rheinmetall wurden misshandelt und getötet. Wir unterstützen Initiativen, die eine ungeschminkte Erinnerungskultur erschaffen wollen», erklärte Markus Beyer von Lebenslaute.
Bereits im September 2019 hatten Antimiliarist*innen aus der ganzen Republik im Rahmen eines Aktionscamps in Unterlüß einen Mahn- und Gedenkweg errichtet, um der Frauen zu gedenken, die für Rheinmetall schuften mussten. Sie waren bei der Aktion von Anwohner*innen teilweise massiv beschimpft worden. Die Tafeln mit Informationen zu den KZ wurden zerstört.
Die Lebenslaute-Aktivist*innen blieben von Beschimpfungen verschont. Allerdings gab es auch keinen nennenswerten Kontakt mit Anwohner*innen. «Einige hupten während der Blockade oder riefen, sie wollten in Ruhe ihre Arbeit machen», sagte Cornelia Weigel gegenüber «nd».
Ein in der Umgebung aufgehängtes Plakat, auf dem die Gruppe zum Konzert einlud, war indes mit einem Spruch überklebt worden: «Es kann der Bravste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Deshalb: Willst du in Frieden leben, sei bestmöglich auf einen Krieg vorbereitet. Und dafür brauchen wir Rheinmetall.» «Lebenslaute hofft, sein diesjähriges Publikum vom Gegenteil überzeugt zu haben. »Rheinmetall dient nicht unserer Verteidigung«, erklärte Cornelia Weigel mit Blick auf diese Reaktion.
Sie hofft, mit der Aktion am Montag auch einige Kritiker*innen überzeugt zu haben. Die stellten sich allerdings nicht der Diskussion, obwohl es dazu genügend Möglichkeiten gegeben hätte. Denn vor einem unangemeldeten Konzert am Sonntagabend hatte Lebenslaute bereits am Samstag eine musikalische Darbietung im Bürgerpark von Unterlüß gegeben. Diese Doppelstrategie gehört zum Konzept der Initiative. Neben einer offiziell angemeldeten Aktion gibt es eine spontane, mit der die Künstler*innen darauf hinweisen wollen, dass der Widerstand gegen Waffenschmieden wie Rheinmetall ein breiter zivilgesellschaftlicher sein müsste.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.