Mehr als eine Million bewerben sich um bedingungsloses Grundeinkommen

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz lehnt Einführung strikt ab / Linken-Chefin Katja Kipping wirbt dagegen für das Modell

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bereits mehr als eine Million Menschen haben sich um die Teilnahme an einem Pilotprojekt für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) beworben. Das teilte der private Verein Mein Grundeinkommen am Freitag in Berlin mit. Strikt gegen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens wandte sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Linken-Chefin Katja Kipping widerspricht ihm.

Die Bewerberzahl von einer Million wurde dem Verein zufolge in weniger als drei Tagen nach der Veröffentlichung des Aufrufs überschritten. »Das Ziel in drei Monaten zu erreichen, schien vorgestern fast unmöglich. Nun haben die BewerberInnen das in 70 Stunden geschafft. Wir sind überwältigt«, erklärte der Initiator Michael Bohmeyer.

Für das Pilotprojekt waren bisher 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgesehen. Die große Zahl von Bewerbungen wurde angestrebt, um eine möglichst breite Auswahl nach wissenschaftlichen Kriterien vornehmen zu können. Bohmeyer zufolge soll die Teilnehmerzahl nun aber nach Möglichkeit erhöht werden. Bewerbungen blieben wie geplant bis zum 10. November möglich.

»Für uns Forschende bestätigt das große Interesse an der Studie den Wunsch in der Gesellschaft nach unabhängiger Grundlagenforschung zum Grundeinkommen«, erklärte Jürgen Schupp vom an dem Experiment beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitut DIW Berlin.

Die Teilnehmer an dem Pilotprojekt sollen drei Jahre lang jeweils 1200 Euro monatlich erhalten, ohne dass dies an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Sie müssen dem Verein zufolge keine Bedürftigkeit belegen und können unbegrenzt Geld hinzuverdienen, sofern sie dies wollen. Der gezahlte Betrag orientiert sich demnach an der Armutsgefährdungsgrenze. Er liegt demnach oberhalb der Schwelle, ab der die Möglichkeiten zur Lebenshaltung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind.

Finanziert wird die Aktion durch Spenden von mehr als 140.000 Privatpersonen. An der wissenschaftlichen Begleitung sind neben dem DIW auch das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern sowie die Universität Köln beteiligt. Die Auszahlungen sollen im Frühjahr 2021 beginnen. Für die Ausweitung der Teilnehmerzahl rief der Verein zu Spenden auf.

»Das wäre Neoliberalismus«

Scholz sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Freitag, er habe die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens schon immer für falsch gehalten. Dadurch würden viele Errungenschaften des Sozialstaates wie die Renten- oder die Arbeitslosenversicherung gefährdet, warnte der Finanzminister.

»Das wäre Neoliberalismus«, sagte der SPD-Kanzlerkandidat weiter. Auch sei ein solches Vorhaben, wenn »fair und richtig« gerechnet werde, unbezahlbar. Scholz forderte stattdessen einen höheren Mindestlohn. Ohne eine entsprechende Vereinbarung würde er nach der Bundestagswahl 2021 keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, kündigte er an.

Konkret nannte Scholz einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde »dringend erforderlich«. Derzeit gebe es in Deutschland viele Jobs, »in denen jene, die schwere körperliche Arbeit leisten, nicht fair bezahlt werden«. Die Mindestlohnkommission hatte Anfang Juli eine Anhebung von derzeit 9,35 Euro auf 10,45 Euro in vier Stufen bis zum Jahr 2022 empfohlen.

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädierte im Kurzbotschaftendienst Twitter erneut die Linken-Vorsitzende Kipping. Sie verwies auf das Konzept ihrer Partei dafür, mit dem sich Armut ohne »Stigmatisierungen und Diskriminierungen« bekämpfen lasse. AFP/nd

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