Parteien loten Machtoptionen aus

In der SPD gehen die Meinungen auseinander, ob sie sich auf die FDP oder die Linkspartei zubewegen soll

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl diskutieren die kleineren Parteien über neue Machtoptionen. In der FDP wird nach der Nominierung von Finanzminister Olaf Scholz zum Spitzenkandidaten gerätselt, ob die Sozialdemokraten mit diesem Schritt auch ein möglicher Partner für die Freien Demokraten wären. FDP-Chef Christian Lindner sagte der »Bild am Sonntag«, Scholz sei »ein respektabler Politiker«, aber es zählten in erster Linie die Inhalte. Scholz habe »neue Schulden und mehr Bürokratie angekündigt«, monierte Lindner.

Das bedeutet im Klartext, dass die FDP bereitstehen würde, wenn die SPD wieder auf die schwarze Null setzen und ihren Partnern auch in anderen Bereichen entgegenkommen würde. In den Reihen der Sozialdemokraten denkt man ernsthaft über eine Annäherung an die FDP nach. Der Gedanke an einen rot-rot-grünen Lagerwahlkampf löst nämlich bei vielen SPD-Politikern keine große Begeisterung aus. Olaf Scholz hatte kürzlich erklärt, dass die Bundesrepublik weiter ihre »Verpflichtungen in der Nato« erfüllen müsse. Damit ging er auf Distanz zur Linkspartei.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hatte seine Partei dazu aufgerufen, sich mehrere Koalitionsoptionen nach der nächsten Bundestagswahl offenzuhalten »Dabei darf die SPD keineswegs auf Rot-Rot-Grün fixiert sein, sondern muss auch die Option für eine links-bürgerliche Ampelkoalition offenhalten, die die liberale Demokratie verteidigt und die ökologische und wirtschaftliche Modernisierung Deutschlands vorantreibt«, so Oppermann gegenüber dem »Spiegel«. Der SPD-Landtagsfraktionschef in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte zu einem möglichen Bündnis aus SPD, Grünen und FDP: »Wir sollten eine solche Koalition nach der Wahl nicht ausschließen, wenn das Wahlergebnis sie ermöglichen könnte.«

Die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans setzen hingegen auf Rot-Rot-Grün. Für eine Ampelkoalition sehen die SPD-Chefs nach der Bundestagswahl kaum eine Chance und begründen das mit den großen Differenzen in der Steuer-, Sozial- und Frauenpolitik. »Die Wandlungen der FDP in den letzten Jahren waren zwar mannigfaltig, aber eine sozialliberale Wende war meines Wissens nicht dabei«, sagte Esken der »Bild am Sonntag«. Sie wolle »ein progressives linkes Bündnis, weil ich den Schwerpunkt setze auf gleiche Bildungschancen für alle Kinder, mehr Unterstützung für ärmere Familien, Teilhabe für alle und Umverteilung«.

Auch in der Linkspartei gehen die Meinungen auseinander, ob bald der richtige Zeitpunkt für eine Mitte-links-Regierung gekommen ist oder nicht. »Jetzt liegt die Möglichkeit einer progressiven Regierung auf dem Tisch. Das freut mich«, sagte Linksparteichefin Katja Kipping dem »Spiegel«. »Wenn wir das Leben derjenigen verbessern wollen, für die wir gegründet wurden, brauchen wir eine Bündnisperspektive«, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte.

Dagegen hatte die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht kürzlich der »Saabrücker Zeitung« gesagt: »Die Wahrscheinlichkeit, dass es nach der Bundestagswahl eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün geben wird, ist nach der Nominierung von Olaf Scholz noch kleiner geworden, da er für genau den politischen Kurs steht, dem die SPD ihre 14 Prozent verdankt.«

Ein Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen SPD, Linkspartei und Grünen wäre die Außenpolitik. Der Linke-Außenpolitiker Gregor Gysi sagte nun der dpa zum Thema Bundeswehreinsätze: »Das wird nicht leicht, aber auch da glaube ich, kann man sich verständigen.« Er sage seiner Partei immer: »Wer nicht kompromissfähig ist, ist nicht demokratiefähig.«

Die diskutierten Bündnisse sind laut Umfragen weit von einer gemeinsamen Mehrheit entfernt. Die Union führt mit großem Abstand. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap für die »Welt am Sonntag« gaben nun 49 Prozent der Befragten an, sich eine Koalition von Union und den Grünen zu wünschen. Eine rot-rot-grüne Koalition finden der Umfrage zufolge 34 Prozent der Wähler attraktiv. Mit Agenturen

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