Urteil ohne Untersuchung

Aert van Riel über den Fall Alexej Nawalny

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn es in der hiesigen Debatte um Russland geht, bleibt Sachlichkeit oft auf der Strecke. Das gilt nun auch für die Reaktionen auf die wahrscheinliche Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Obwohl noch Fragen offen sind, meinen viele deutsche Medien und Politiker, den Schuldigen bereits gefunden zu haben.

Der »Stern« interviewte einen »Geheimdienstexperten«, der zu Protokoll gab, er sei sicher, dass Präsident Wladimir Putin die Vergiftung persönlich angeordnet habe. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber hält es für »naheliegend«, dass der russische Staat etwas mit der Sache zu tun hat. Tatsache ist, dass Nawalny wegen seiner Antikorruptionsaktivitäten viele Feinde in Politik und Wirtschaft hat. Sie alle kommen als mögliche Drahtzieher in Frage. Vorausgesetzt natürlich, dass Nawalny wirklich vergiftet wurde.

Dafür spricht einiges. Nawalny ist schon früher attackiert worden und nicht der einzige russische Oppositionelle, der gefährlich lebt. Das haben die Morde an Boris Nemzow, der Journalistin Anna Politkowskaja und anderen in den vergangenen Jahren gezeigt. Ihre Angehörigen und Unterstützer vermuten bis heute, dass staatliche Stellen ihre Finger im Spiel hatten. Das konnte zwar nie bewiesen werden, aber sicher ist, dass der Staat es zumindest nicht geschafft hat, das Leben der Menschen zu schützen.

»Wir leben mit dem Narrativ vom Gegner«
Kerstin Kaiser über den Fall Nawalny, die Krise in Belarus und das deutsch-russische Verhältnis

Daran wird sich so schnell nichts ändern. Zumal sich derzeit keine Alternative zu Putin und seiner Regierung aufdrängt. Hierzulande wird Nawalny als sein größter Gegenspieler dargestellt. Wegen der in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft vorherrschenden Anti-Putin-Stimmung wird aber oft verschwiegen, dass Nawalny Vorurteile über Migranten verbreitet und Unterstützer im rechtsradikalen Spektrum hat. Er ist selber eine Gefahr für Menschenrechte und Demokratie.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.