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»Haustier der Molekulargenetiker«

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.
Fruchfliegen: »Haustier der Molekulargenetiker«

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere. Ulrike Wagener fragte ihn nach Fruchtfliegen.

Neulich habe ich meinen Biomüll aufgemacht, und da kam mir ein ganzer Schwarm Fruchtfliegen entgegen. Am Abend vorher waren die noch nicht da - kommen die aus dem Nichts?

Nein, die hast du entweder schon beim Einkauf mitgebracht oder sie sind dir von außen zugeflogen, weil sie lecker vergammeltes Obst in deinem Biomüll gerochen haben. Die können recht weit riechen, und da fliegen die sofort hin.

Kann ich irgendwie verhindern, dass ich die mit nach Hause schleppe?

Eher nicht. Die sitzen in Form klitzekleiner Eierchen auf der Oberfläche.

Ekelhaft.

Aber die sind harmlos. Also im Unterschied zu manch anderen Fliegen schleppen die in der Regel keine Krankheitserreger mit sich rum.

Am liebsten würde ich dann trotzdem gleich alles wegschmeißen.

Also wenn die Frucht als solche intakt ist, dann kannst du das Zeug einfach ordentlich abwaschen. Wenn du es dann isst, ist es kein Ding. Aber wenn das Obst erst mal nass geworden ist, hast du das erhöhte Risiko, dass es eher anfängt von der Oberfläche her zu gammeln. Und gäriges Obst mögen die Tierchen noch lieber.

Deswegen auch die Sektfalle?

Das ist eine der Varianten. Allerdings sollte man da nicht bloß den Sekt reinmachen beziehungsweise ein anderes hübsches alkoholisches Getränk. Etwas Essig ist auch gut. Dazu ein bisschen Spülmittel, dann hat man die Sicherheit, dass die dann auch gleich vor Ort sterben, ansonsten lockst du nur noch viele, viele andere Fliegen an. Und mittlerweile gibt es dieses Problem nicht mehr nur im Sommer.

Ach nein?

Nein. Das liegt erst mal daran, dass wir ganzjährig frisches Obst haben. Und aus dem Laden in wohltemperierte Wohnungen bringen. Denn die Viecher sind bei unter 25 Grad nicht mehr ganz so begeistert. Und bei Frost verlieren sie die Freude ganz.

Wissenschaftlern sollen diese Fliegen aber sowieso ganzjährig Freude bereiten.

Ja, Drosophila melanogaster, wie eine der vielen Fruchtfliegen lateinisch geschimpft wird, ist seit 1910 gewissermaßen das Haustier der Molekulargenetiker. Das Tier hat den Vorteil, dass es sehr genügsam ist. Zweitens hat es ein recht überschaubares Erbgut und eine kurze Generationenfolge. Man sieht also schon innerhalb kurzer Zeit, welche Veränderung eine bestimmte Genmutation am Tier mit sich bringt - und möglicherweise auch bei Menschen.

Fruchtfliegen als Versuchstiere?

Ja. Ein Beispiel: Ein Insektenauge besteht aus Hunderten bis Tausenden Einzelaugen, die Konstruktion des Einzelauges ist aber wiederum die gleiche wie bei uns.

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