Gemeinsam gegen Tönnies

Im schleswig-holsteinischen Kellinghusen haben Gewerkschafter, Tier- und Umweltschützer gegen den dortigen Schlachthof demonstriert

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 250 Teilnehmer zählte am Sonnabend die größte Demonstration, die die Kleinstadt Kellinghusen in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten erlebt hat. Die anwesende Polizei blieb bis auf die Regelung des Straßenverkehrs komplett arbeitslos. Die Demo richtete sich gegen den dortigen Tönnies-Schlachthof. Es war nicht die einzige Aktion gegen den Konzern in jüngster Zeit, immer häufiger wird gegen die Zustände in dem Unternehmen protestiert.

Einheimische fühlten sich an die Zeiten gut besuchter Ostermärsche der Friedensbewegung vor der damalige Kaserne in dem Ort erinnert, in der sich ein mit nuklearen Sprengkörpern bestücktes Sondermunitionslager der US-Streitkräfte befand, oder an eine Demonstration gegen eine Versammlung norddeutscher Neonazis 1987. Diesmal brachte die Empörung über eine Ankündigung aus dem Hause Tönnies gegenüber 30 Beteiligten einer spektakulären Tierrechtsaktion im Herbst 2019 die Menschen auf die Straße. Darin wird eine zivile Schadenersatzforderung in Höhe von 37 354 Euro geltend gemacht, weil die »Tear Down Tönnies«-Aktivisten sich unter anderem an der Verladerampe des Schweineschlachtbetriebs angekettet und damit die Schlachtung für mehrere Stunden zum Erliegen gebracht hatten. Ein Polizeisprecher äußerte seinerzeit Verständnis für die Aktion und fing sich dafür aus dem Kieler Innenministerium und von seinen Vorgesetzten eine Rüge ein.

Ein Bündnis aus Gewerkschaftslinken von »Jour Fixe« aus Hamburg, Tier- sowie Umweltschützern hat nun zu einem Solidaritätsbündnis im Rahmen von »Gemeinsam gegen die Tierindustrie« zusammengefunden. Es wurde von Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, unterstützt. Er wies darauf hin, dass wegen der hingenommenen Versäumnisse beim Klimaschutz, zu der auch die Thematik der Massentierhaltung gehört, die Protestform des zivilen Ungehorsams notwendig sei. Vor Ort sind es seit Monaten Grüne und Linke, die fordern, dass die letzte Stunde für den Schlachthof geschlagen hat, der derzeit 4300 Schlachtungen pro Tag vornimmt. Anlässlich der Demonstration am Rande seines Firmengeländes hatte der Betrieb indes offenbar den üblichen Arbeitsablauf umgestellt, vermisste man doch die sonst kontinuierlich anrollenden Viehtransporter.

Während sich Kellinghusens Bürgermeister Axel Pietsch den Demo-Zug durch die Ortsmitte aus gebührendem Abstand neben seinem Fahrrad ansah, reihten sich Angehörige der Bürgerinitiative »SAUstarkes Kellinghusen« ins Bündnis ein. Kalle Spaymann von der Initiative verwies auf die Ankündigung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil, dass die Zeit der runden Tische vorbei sei. Also gelte es, den SPD-Politiker beim Wort zu nehmen und ihn stetig an seine Versprechung zu erinnern, so Spaymann, der auch über die ökologischen Belastungen durch den Schlachthof berichtete und fragte, warum Tönnies ein Wasserpreisrabatt von 67 Prozent im Vergleich zu einem Normalhaushalt gewährt werde.

Annica, Aktivistin von »Tear Down Tönnies«, sagte, niemand lasse sich von Tönnies durch irgendwelche Drohgebärden einschüchtern. »Die Androhung einer Schadenersatzklage hat bereits eine enorme Spendenwelle als Unterstützung losgetreten.« Spontan entschloss man sich am Sonnabend, dass es bereits am 5. September vor dem Schlachthof in Kellinghusen wieder eine nächste Mahnwache geben soll. Am zweitgrößten Tönnies-Standort in Weißenfels gehen ebenfalls am 5. September Umweltschützer vom BUND und Naturfreunde unter der Losung »System Tönnies stoppen!« auf die Straße. Anlässlich der anstehenden Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen wird zudem für den 11. September nach Düsseldorf mobilisiert. Dort wird unter dem Motto »Tönnies dicht machen! Kuschelkurs mit Fleischindustrie stoppen!« demonstriert.

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