Friedenspolitische Grundsätze unter Druck

Der Linke-Vorstand postuliert, die Partei werde sich nicht an einer Regierung beteiligen, die Kriegseinsätze zulässt. Prominente Genossen fordern dagegen Kompromisse

Ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl trommeln Genossen aus dem Reformerlager der Linken für eine »Mitte-Links-Regierung« im Bund. Und verlangen dafür auch Kompromisse in der Friedenspolitik.

Bislang gilt die klare Haltung der Linken gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr, für ein komplettes Verbot von Rüstungsexporten und ihre Fundamentalkritik an der Nato neben dem Kampf gegen Sozialabbau als ihr Markenkern. Doch zuletzt haben Gregor Gysi, seit kurzem außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, und Fraktionschef Dietmar Bartsch schon mal angekündigt, auf diesem Feld werde die Linkspartei bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen kompromissbereit sein.

Gysi sagte zuletzt im Gespräch mit dem »Tagesspiegel am Sonntag«, er sehe in den außen- und verteidigungspolitischen Grundsätzen der Partei keine »unüberwindbare Hürde« mehr für eine Koalition mit SPD und Grünen im Bund. Die Linke fordere zudem ja keinen Austritt aus der Nato.

Tatsächlich tritt die Linkspartei laut ihrem Programm für die Auflösung der Nato und die Schaffung einer »kollektiven Sicherheitsstruktur unter Einschluss Russlands« an ihrer Stelle ein. Doch genau dazu hatte der Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, vor zwei Wochen im Deutschlandfunk gesagt, es sei »absurd zu glauben, die Linken wollten eine Auflösung der Nato zur Voraussetzung für einen Regierungseintritt« machen. »Die Linke wird die Nato nie auflösen«, betonte Bartsch. Das sei eine »Überschätzung sondergleichen«. Zudem sei seine Partei in der Außenpolitik »diskussionsfähig und regierungsfähig«.

Mit Blick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr erinnerte Bartsch daran, dass die Mitglieder seiner Fraktion bereits in der Vergangenheit unterschiedlich über Missionen der deutschen Streitkräfte abgestimmt hätten. Es sei absurd anzunehmen, Linke würden sich an dem Tag, an dem ihre Partei Regierungsverantwortung übernehme, »in die Flugzeuge setzen und die Jungs zurückholen«. Gregor Gysi hingegen sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, unter den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sehe er keinen, »der wirklich gerechtfertigt ist«. Daher werde es hier sicherlich die größten Schwierigkeiten in Verhandlungen um Rot-Rot-Grün im Bund geben. Gleichwohl müsse die Linkspartei, um die Chancen für ein solches Bündnis zu erhöhen, eine »Kurskorrektur« in der Außen- und Sicherheitspolitik vornehmen. Seine Begründung: »Für die Linken sind 30 Jahre in der Opposition genug. Wir müssen mal eine andere Rolle spielen.«

Außerdem glaubt Gysi, Deutschland könne als Nato-Mitglied »Hauptvermittler« in Konflikten werden. Seiner Partei schrieb er ins Stammbuch: »Wer nicht kompromissfähig ist, der ist nicht demokratiefähig.«

Im Leitantrag an den Bundesparteitag im Herbst heißt es indes, die Linkspartei werde sich »nicht an einer Regierung beteiligen, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Kriege führt oder Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt«. Weiter ist in dem am Samstag vom Bundesvorstand beschlossenen Papier zu lesen: »Waffenexporte wollen wir verbieten, die Atomwaffen müssen aus Deutschland abgezogen werden. Wir wollen die Rüstungsausgaben drastisch senken, statt weiter in neue Panzerarmeen und Kriegsschiffe zu investieren.«

In der Friedensbewegung fürchtet man ob der Äußerungen von Gysi und Bartsch, den wichtigsten Verbündeten im Kampf für Abrüstung zu verlieren. Wenn Gysi die zahllosen Brüche des Völkerrechts durch die Nato und die tödlichen Folgen ihrer Politik nicht anspreche, sei das ein »friedenspolitischer Offenbarungseid«, mahnten am Sonntag unter anderem die Aktivisten Werner Ruf, Willi van Ooyen, ehemaliger Linke-Landtagsabgeordneter in Hessen, sowie Rainer Braun in einer Presseerklärung. Bereits nach den Äußerungen von Bartsch hatten sie einen Appell veröffentlicht, in dem sie die Linkspartei auffordern, eine Aufweichung ihrer friedenspolitischen Grundsätze nicht zuzulassen. Bis zum Sonntag hatten den Aufruf mehr als 600 Menschen unterzeichnet.

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