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Typengenehmigung auf dem Prüfstand
Verkehrsexperten begrüßen EU-Prüfvorgaben für Neuwagenmodelle, sehen aber noch Luft nach oben
Seit Dienstag gelten strengere Vorgaben für die Zulassung neuer Pkw in der Europäischen Union. Neue Modelle sollen demnach strikter geprüft werden, bevor sie auf den Markt kommen, um Betrügereien wie beim Dieselskandal künftig unmöglich zu machen. »Das ist ein großer Schritt nach vorne, dass Grenzwerte nun auch auf der Straße ordentlich gemessen werden sollen«, sagt der unabhängige Verkehrsexperte Axel Friedrich. Bislang sahen die entsprechenden Genehmigungsverfahren nur Kontrollen der gesetzlichen Vorgaben auf einem - manipulationsanfälligen - Rollenprüfstand vor.
Erstmals soll es auch Stichproben geben, ob die neu zum Verkauf angebotenen Autos die Vorgaben tatsächlich einhalten. Bei Verstößen drohen künftig Strafen bis zu 30 000 Euro für jedes einzelne Fahrzeug eines Modells. Dass Fahrzeuge deutlich mehr Schadstoffe ausstoßen als im Test, war im September 2015 aufgeflogen. Damals wurde bekannt, dass der Autohersteller Volkswagen eine Schummelsoftware in seinen Dieselfahrzeugen eingesetzt hatte. Die Software erkannte, wenn sich das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand befand, und sorgte dann dafür, dass das Fahrzeug die Grenzwerte für Schadstoffe einhielt, was auf der Straße nicht der Fall war.
»Dies ist das erste Mal, dass die EU-Kommission die Emissionen von Kraftfahrzeugen auf der Straße wirklich kontrollieren kann«, freut sich auch Julia Poliscanova, die bei der europäischen Dachorganisation Transport & Environment den Bereich saubere Fahrzeuge leitet. Die Frage sei, ob die Kommission auch den politischen Willen habe, die ihr nach »Dieselgate« gewährten Befugnisse voll auszuschöpfen. »Um Dieselgate 2.0. zu vermeiden, sollte die Kommission prüfen, ob Neuwagen die Euro-6d-Luftverschmutzungsgrenzwerte in der realen Welt einhalten, ob die Hersteller bei den neuen CO2-Tests nach WLTP (weltweit einheitliches Testverfahren, d. Red.) faire Werte angeben und ob die neu gehypten Innovationen wie das sogenannte Leerlauf-Segeln die versprochenen Emissionssenkungen bringen oder nicht«, listet Policsanova gegenüber »nd« die Kriterien des Dachverbands von Nichtregierungsorganisationen, die sich für eine nachhaltige Verkehrswende einsetzen, auf. Sollten die Tests auf der Straße und die konsequente Verfolgung von Gesetzesverstößen jedoch ausbleiben, werde das Gesetz nicht das Papier wert sein, auf dem es geschrieben stehe.
Zudem gelten auf der Straße noch immer höhere Grenzwerte. Statt den im Euro-6-Regelwerk vorgeschriebenen 80 Milligramm Stickstoffdioxid je Kilometer können Dieselautos noch 120 Milligramm ausstoßen. »Die Emissionen dürfen auf der Straße noch immer das 1,5-Fache betragen«, bemängelt Experte Axel Friedrich, der einst Abteilungsleiter im Umweltbundesamt war und zu den schärfsten Kritikern der Autoindustrie gehört. Nachdem diese behauptet hatte, es gebe auf der Straße Messunsicherheiten, genehmigte die EU-Kommission mit einer sogenannten Konformitätsfaktoren-Verordnung von April 2016 höhere Werte. »Das EU-Parlament versucht in den nächsten Wochen diesen Faktor wegzubekommen«, sagt Friedrich. Dem Europäischen Gerichtshof zufolge sei der Faktor nicht akzeptabel, weil es sich um einen Grenzwert handele, der neu vom Parlament bestimmt werden müsste.
Wer in Europa ein Auto auf den Markt bringen will, braucht dafür eine Typengenehmigung. Dafür werden von technischen Diensten Prototypen getestet, ob sie den Vorschriften in punkto Sicherheit und Umweltschutz entsprechen. Bekommt ein Autobauer alle Stempel, darf er das Modell in der gesamten EU verkaufen. In Deutschland erteilt das Kraftfahrt-Bundesamt die Typengenehmigung. »Die Vorschriften gehen in die richtige Richtung, aber es muss eine Trennung geben zwischen der Behörde, die die Typzulassung durchführt, und derjenigen, die die Marktüberwachung leisten«, sagt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Damit das Kraftfahrt-Bundesamt nicht seine eigenen Genehmigungen prüfen muss, fordert sie, dass die Überwachung in den Händen des Umweltbundesamtes liegt. Es sei schließlich ein Umweltinteresse, dass Abgasreinigungsanlagen funktionieren.
Saar zufolge sollte die EU-Kommission künftig selbst Tests durchführen und Strafzahlungen festsetzen können, wenn es zu Verstößen kommt. »Das ist nach meinem Kenntnisstand nur dann der Fall, wenn die EU-Mitgliedsstaaten nicht schon selber Schritte eingeleitet haben«, bemängelt die DUH-Expertin. Es gebe schon seit 2009 eine Regelung, die es den Mitgliedsstaaten erlaube, selbst Sanktionen bei Verstößen gegen die Zulassungsrichtlinien auszusprechen. Das sei in Deutschland aber nie passiert, obwohl es reichlich Verstöße gegeben habe.
Nachbesserungsbedarf sehen die Verkehrsexpert*innen übrigens auch beim CO2-Grenzwert. Dieser werde nämlich noch überhaupt nicht auf der Straße gemessen.
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