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Lichtenberg will hoch hinaus
Leerstehende Vertragsarbeitersiedlung soll für neues Quartier abgerissen werden
Auf dem Gelände der Ex-DDR-Vertragsarbeitersiedlung im Bezirk Lichtenberg soll in den nächsten Jahren ein Hochhausquartier entstehen. Die seit 1994 leerstehenden Blöcke werden dann zugunsten eines Quartiers mit 2200 Wohnungen abgerissen. Träger des Neubauvorhabens rund um die Haupt-, Gehren- und Wollenberger Straße sind die Immobilienunternehmen Belle Époque sowie die landeseigene Howoge. »Ich habe den Eindruck, sie meinen es ernst«, sagte Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) am Dienstag bei der Vorstellung des 300 Millionen Euro teuren Projekts.
Im Ortsteil Alt-Hohenschönhausen werde ein »buntes, urbanes Leuchtturmgebiet« entstehen, zeigte sich auch Torsten Nehls erwartungsvoll. Der Geschäftsführer von Belle Époque verwies auf den geplanten Mix an Wohnungen für Familien, Studenten und Senioren. Unter anderem durch die Ansiedlung von Gewerbe, medizinischer Versorgung und den Bau einer Grundschule, soll den Anwohnern die nötige soziale Infrastruktur geboten werden. Dort, wo ab 1982 DDR-Vertragsarbeiter vor allem aus Vietnam in Wohnheimen untergebracht wurden, werde laut Nehls weder ein »langweiliges Neubauquartier« noch »High-Level-Architektur zu Höchstpreisen« entstehen. Belle Époque will rund 1600 Wohnungen bauen. 30 Prozent der Wohnfläche soll mietpreisgebunden angeboten werden, also für 6,50 Euro je Quadratmeter. Beim landeseigenen Projektpartner Howoge sollen rund 600 Wohnungen entstehen, die Hälfte davon mietpreisgebunden. Für die restlichen frei vermieteten Wohnungen verwies Howoge-Geschäftsführer Ullrich Schiller auf die durchschnittlichen Quadratmeterpreise von unter zehn Euro, die sein Unternehmen erreiche. Nehls hingegen erklärte, dass Belle Époque darüber liegen wird und gab eine etwaige Miete von mindestens 650 Euro warm für eine 40 bis 45 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung an. »Bei effizienten Grundrissen sind Quadratmetermietpreise nicht so spannend«, sagte er. Grundrisse, die sich den heutigen Lebensrealitäten anpassen sollen, sind auch der Grund dafür, warum die leerstehenden Häuser mit ihren kleinen Zimmern und langen Gängen abgerissen und nicht saniert werden. Der Großteil der neu geplanten Gebäude wird dann über fünf bis sieben Etagen verfügen. Nach derzeitigem Stand sollen auch fünf Hochhäuser mit bis zu 21 Geschossen gebaut werden. Bezirksbürgermeister Grunst erklärte am Mittwoch, er sei »Fan von Hochhäusern«. Mit dem Wohnen in der Vertikalen werde gleichzeitig Platz am Boden für Grün- und Wasseranlagen geschaffen, so der Tenor der Projektbeteiligten. Denn auch Nachhaltigkeit werde eine Rolle bei dem Bauvorhaben spielen. So will Belle Époque beispielsweise den beim Abriss anfallenden Beton wiederverwenden. Auch werde die Nutzung von Holz und Lehm als Baustoff geprüft.
Für Martin Schaefer (CDU), Bezirksstadtrat für Umwelt und Verkehr, liegt der »Knackpunkt« aber vor allem in der Verkehrsanbindung. »Wir verlieren die Akzeptanz für das Projekt, wenn die Infrastruktur nicht mitgedacht wird«, sagte er. Durch den Neubau rechnet er mit bis zu 3000 zusätzlichen Fahrgästen für den ÖPNV vor Ort. Eine neue Tram-Haltestelle und Gleisschleife müssten deshalb her. Auch will sich Schaefer weiter für eine bessere Anbindung und höhere Taktung der S-Bahn-Linie S75 einsetzen. »Die Erwartungen an die Senatsverwaltung für Verkehr sind hoch«, so Schaefer.
Bis die Wohnungen im Hochhausquartier bezugsfertig sind, wird es indes dauern. Die Projektbeteiligten hoffen, 2021 das Bebauungsplanverfahren abschließen zu können. Laut Plan ist für 2025 mit einer Fertigstellung zu rechnen. Für Grunst wäre das ein Erfolg. »Seit meinem Amtsantritt bemühen wir uns als Bezirksamt, das Areal nutzbar zu machen«, sagte er am Mittwoch. Bereits vier Bürgermeister vor ihm waren daran gescheitert.
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