Völkermord an den Rohingya

Kanada und die Niederlande unterstützen Klage gegen Myanmar

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Kanada und die Niederlande schließen sich der Völkermordklage Gambias gegen Myanmar vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag an. Die beiden Nationen wollen damit ihren Verpflichtungen aus der Völkermord-Konvention nachkommen, »um das Verbrechen des Genozids zu verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen«, hieß es in einer gemeinsamen Presseerklärung des kanadischen Außenministers Francois-Philippe Champagne und seines niederländischen Kollegen Stef Blok. Ihre beiden Länder wollten ein »besonderes Augenmerk auf sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, besonders aber auf Vergewaltigungen, legen«, betonten Champagne und Blok.

Der IStGH hatte am 23. Januar dieses Jahres in einem historischen Urteil Myanmar angewiesen, die Rohingya in Rakhine vor Völkermord und anderer Gewalt zu schützen. Mit dieser einstimmigen Entscheidung gab der IStGH dem Antrag des afrikanischen Staates Gambia statt. Myanmar wurde verpflichtet, dem IStGH regelmäßig bis zum endgültigen Urteil über den Schutz der noch rund 600 000 in Rakhine lebenden muslimischen Rohingya Bericht zu erstatten. Das ist das erste Mal, dass die Völkermordklage eines nicht unmittelbar betroffenen Staates auf Grundlage der Völkermordkonvention von dem IStGH zugelassen wurde.

Bei einer dreitägigen Anhörung im Dezember 2019 verteidigte Aung San Suu Kyi in ihrer Rolle als Außenministerin vor dem IStGH Myanmar gegen den Vorwurf des Völkermords. Die Politikerin räumte lediglich ein, es sei »nicht ausgeschlossen, dass Angehörige der Verteidigungskräfte in einigen Fällen unter Missachtung des humanitären Völkerrechts unverhältnismäßige Gewalt angewendet oder nicht klar genug zwischen Kämpfern der ARSA (Arakan Rohingya Salvation Army) und Zivilisten unterschieden haben«. Angriffe der kleinen, schlecht bewaffneten ARSA auf Polizeiposten waren im August 2017 der Auslöser zur gewaltsamen Vertreibung von 740 000 Rohingya nach Bangladesch.

Der erste Bericht Myanmars über die Situation der rund 600 000 in Rakhine verbliebenen Rohingya fiel Ende Mai 2020 enttäuschend aus. »Den Rohingya im Bundesstaat Rakhine werden immer noch ihre Rechte auf Staatsangehörigkeit, Freizügigkeit und Zugang zu Dienstleistungen, einschließlich Gesundheitsversorgung, verweigert. Sie sind auch von dem eskalierenden bewaffneten Konflikt zwischen dem myanmarischen Militär und der Arakan Armee betroffen«, kritisiert Nicholas Bequelin, Myanmarexperte von Amnesty International in einer Presseerklärung.

Seitdem ging es im bitterarmen Rakhine weiter bergab. Nach dem Corona-Ausbruch Ende August verhängten die Behörden über die Hauptstadt Sittwe und weite Teile von Rakhine für mehr als eine Million Menschen einen Lockdown. Zudem leben mehr als 130 000 durch Konflikte vertriebene muslimische Rohingya unter Bedingungen in Lagern, die Amnesty International als »Apartheid« bezeichnet. Im August schloss Myanmars Wahlkommission sechs Politiker der Rohingya von einer Kandidatur bei der Parlamentswahl am 8. November aus.

Bereits im vergangenen Februar schlossen sich die muslimischen Malediven der Klage Gambias an und werden von der prominenten Anwältin Amal Clooney vertreten. Die Mitwirkung der ersten westlichen und nicht-islamischen Länder Kanada und Niederlande werten politische Beobachter als Stärkung der Klage gegen Myanmar, aber auch der Stärkung des IStGH generell. Der Strafgerichtshof steht unter dem Druck der USA, die Ermittlungen gegen US-Militärangehörige wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Afghanistan verhindern will.

Der Ausgang des Verfahrens gegen Myanmar ist ungewiss. Es ist erst das dritte Mal, dass das Weltgericht angerufen wurde, um einen Staat nach internationalem Recht für Verstöße gegen die Genozid-Konvention zur Verantwortung zu ziehen. In allen Fällen ging es um die Gräueltaten in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren. Weder Serbien noch Kroatien wurden jedoch schuldig gesprochen.

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