Verfassungsbeschwerde gegen »Lex Garzweiler«

Anwohner wollen verhindern, dass weitere Dörfer durch den Braunkohleabbau zerstört werden

Noch bis zum Jahr 2038 will RWE am Tagebau Garzweiler Braunkohle aus der Erde baggern. Nach dem Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung darf der Energiekonzern das. Dort wurde eine Bestandsgarantie für Garzweiler festgeschrieben. Ohne besondere Prüfung, ob der Tagebau energiewirtschaftlich notwendig ist und ob es nicht Planungsmöglichkeiten gäbe, die eine Zerstörung der Dörfer am Grubenrand verhindern.

Dagegen regt sich Widerstand. Nach der Zerstörung einer Landstraße, die mehrere Dörfer verbindet und das Kohleloch auf Abstand hielt, gab es mehrere Demonstrationen und Baggerbesetzungen. Eine Dauermahnwache mit Protestcamp ist errichtet worden. Und auch auf dem juristischen Weg wird gegen den Tagebau vorgegangen.

Schon vor einem Jahr haben sich Dorfbewohner zusammengeschlossen und ein Grundstück am Rand von Keyenberg erworben. Das Grundstück trennt die Dörfer von den Kohlebaggern und die Besitzer sind entschlossen, es nicht herzugeben und den Prozess um eine Enteignung möglichst durch alle Instanzen zu führen. Außerdem haben sie jetzt Verfassungsbeschwerde gegen die »Lex Garzweiler« im Kohleausstiegsgesetz eingelegt. »Ich gehe davon aus, dass der Garzweiler-Paragraph vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hat, denn er stellt einen einzelnen Tagebau ohne jegliche Begründung als energiewirtschaftlich notwendig dar«, sagte der Jurist Dirk Teßmer, der die Tagebaubetroffenen vertritt. Teßmer ist kein Neuling in diesem Feld. 2013 hatte er vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommen, als es um die Zwangsenteignung eine Obstwiese des Umweltverbandes BUND am Tagebaurand ging. Die Enteignung war zu diesem Zeitpunkt zwar schon durchgeführt und die Wiese abgebaggert worden, doch das Gericht hatte kritisiert, dass die Rechte der Betroffenen und Umweltaspekte nicht ausreichend geprüft wurden. Auch an dem Verfahren, das zum Rodungsstopp am Hambacher Forst führte, war Teßmer beteiligt. Für die aktuelle Verfassungsbeschwerde gibt er sich optimistisch. »Die Rechte meiner Mandaten sollten über der Förderung klimaschädlicher Braunkohle stehen.«

»Jeder sollte wissen, dass auch in Deutschland immer noch Menschen ihr Zuhause für den Abbau von Braunkohle verlieren - und das mit voller Zustimmung der Bundesregierung. Deshalb ziehen wir heute vor Gericht. Unser Kampf hat gerade erst begonnen«, sagte Barbara Oberherr aus dem bedrohten Dorf Keyenberg.

Sie ist eine von 36 Klägerinnen gegen das Kohleausstiegsgesetz. Für sie und die anderen Dorfbewohner geht es um ihr Zuhause und nicht selten auch um ihre wirtschaftliche Existenz. Beispielsweise Bauernhöfe mit großen Grundstücken sind in den Umsiedlungsdörfern nicht vorgesehen. Schützenhilfe bekommen die Dorfbewohner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das hatte schon im Frühjahr in einer Studie festgestellt, dass es energiewirtschaftlich nicht notwendig ist, die Kohle unter den Dörfern abzubaggern. Von RWE hingegen war vor wenigen Tagen zu hören, dass der Konzern die Enteignung in die Wege leiten wolle. »Da eine gütliche Einigung derzeit nicht möglich zu sein scheint, bereitet RWE Power einen Antrag an die Bezirksregierung Arnsberg auf Grundabtretung vor«, teilte ein Sprecher mit.

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