»Fridays for Future bricht nicht auseinander«

In der Klimabewegung gibt es Streit, wie es weitergehen soll. Das kann sogar ein Vorteil sein, meint Bewegungsforscher Simon Teune

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 25. September soll es mal wieder eine große Fridays-for-Future-Demo geben. Manche der jungen Aktivist*innen von Fridays for Future wollen indes strategisch umsatteln und für den Bundestag kandidieren - teilweise für die Grünen, Gespräche laufen wohl aber auch mit SPD und Linken. Haben die Ankündigungen Sie überrascht?

Gar nicht. Einige der Klimaaktivist*innen waren sowieso schon parteipolitisch aktiv. Und wenn man sich die bisherige Strategie von Fridays for Future anguckt, ist der Schritt ins Parlament naheliegend. Bisher wurden die zuständigen Repräsentant*innen direkt angesprochen. Wenn die Aktivist*innen den Eindruck haben, dass die ihren Job nicht machen, ist es konsequent, dass man selbst versucht, es besser zu machen.

Simon Teune

Der Soziologe (Jahrgang 1976) leitet das Institut für Protest und Bewegungsforschung. Er ist außerdem der Co-Leiter des Bereichs »Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte« der Technischen Universität Berlin. Mit ihm sprach Susanne Schwarz für »nd« über Strategiedebatten bei Fridays for Future, nachdem einzelne junge Menschen aus dieser Klimabewegung ihre Bereitschaft erklärt hatten, im kommenden Jahr für den Bundestag zu kandidieren.

Bisher war der von Greta Thunberg geprägte Slogan »How dare you« Programm, »Wie könnt ihr es wagen«. Wenn zu diesem »ihr« bald auch die eigenen Aktivist*innen gehören, wie verändert das die Bewegung?

Das ist ja eine Entwicklung, die wir schon von vielen Bewegungen kennen. Ein Teil engagiert sich auch parteipolitisch und muss zwangsläufig Kompromisse eingehen. Im Bundestag muss man sich mit mehreren Politikfeldern auseinandersetzen und manchmal damit leben, dass die eigenen Forderungen verwässert werden. Das ist der Preis für die parlamentarische Strategie. Das bedeutet aber auch, dass die Bewegung in der Parteienlandschaft deutlicher zu hören ist.

Beim Rest der Bewegung stoßen Bundestagskandidaturen durchaus auf gemischte Gefühle. Manche Aktivist*innen befürchten, dass ihre Mitstreiter*innen dort Legitimation für schlechte Kompromisse schaffen.

Das ist eine wahrscheinliche Entwicklung. Aber es kann ja eine parallele Entwicklung geben. Die Leute, die von außen Druck aufs Parlament ausüben, weichen nicht von ihren Forderungen ab, bleiben bei ihrer Radikalität. Sollten es Leute von Fridays for Future in den Bundestag schaffen, werden die diesen Druck dann natürlich auch zu spüren bekommen - und können ihn im Idealfall nutzen, um bessere Kompromisse herauszuhandeln.

Der Kieler Aktivist Jakob Blasel begründet seine Kandidatur für die Grünen auch damit, dass er frustriert sei von den ausbleibenden politischen Erfolgen der Bewegungsarbeit. Woher weiß man als Bewegung: Wir brauchen eine neue Strategie?

Es gibt unterschiedliche Wege, den Erfolg von Bewegungen zu messen. Die Veränderungen der politischen Agenda zum Beispiel. Da ist Fridays for Future sehr erfolgreich gewesen. Genauso ist es gelungen, öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren, Mitstreiter*innen und Ressourcen zu gewinnen.

Was fehlt, ist die Ebene politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen. Dort sind die Änderungen minimal. Weil es um viele verschiedene Politikfelder geht und um ökonomische Interessen, gibt es da keine schnellen Erfolge. Der Weg in die Parlamente ist eine Möglichkeit, damit umzugehen. Und wie gesagt: Der Schritt in die Parteienpolitik ist für viele bei Fridays for Future gar nicht so groß. Aber es steht auch nicht an, dass das plötzlich alle versuchen würden.

Was passiert einer Bewegung, wenn strategische Ansichten auseinanderdriften?

Es ist die Regel, dass es in Bewegungen moderatere und radikalere Teile gibt. Die unterschiedlichen Perspektiven können sich ergänzen. Das eine zu machen, heißt nicht, das andere zu lassen. Ich glaube nicht, dass man allein mit einer konsequenten außerparlamentarischen Strategie auf der Ebene politischer Entscheidungen Erfolg haben wird.

Das heißt, Fridays for Future braucht keine gemeinsame Linie?

Ich würde sagen, es ist sogar eine Erfolgsvoraussetzung, dass man mehr als eine Strategie hat. Es kann natürlich sein, dass es irgendwann anfängt zu knirschen. Nur als Gedankenexperiment, das steht nicht wirklich im Raum: Wenn ein Teil anfängt, bei seinen Protesten Gewalt anzuwenden, kommen die Vertreter*innen im Parlament natürlich unter Rechtfertigungsdruck.

Was aber schon im Raum steht, ist friedlicher ziviler Ungehorsam, der über das Schulstreiken hinausgeht. Kann das immer noch funktionieren: Manche im Bundestag, manche bei der Straßenblockade?

Auch wenn immer mal wieder probiert wird, zivilen Ungehorsam mit Gewalt in Verbindung zu bringen: Wir sind in der Demokratie mittlerweile soweit, dass kaum jemand in Frage stellt, dass ziviler Ungehorsam eine legitime Form der demokratischen Auseinandersetzung ist. Ich sehe Fridays for Future an diesen Fragen nicht auseinanderbrechen.

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