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Gewerkschaft ausgeschlossen
Humanistischer Verband will im Tarifstreit nur noch mit Betriebsräten sprechen
»So eng war es noch nie, ihr müsst euch wehren, wenn ihr den Tarifvertrag haben wollt«, schallt es durch die Wallstraße in Berlin-Mitte. Vor der Geschäftsstelle des Humanistischen Verbands (HVD) versammelt sich zum Warnstreik am Mittwochmorgen mit rund 300 Mitarbeitern ein beträchtlicher Teil der insgesamt 1400 Beschäftigten des Verbands. Der Grund: Anfang September scheiterten die Tarifauseinandersetzungen, weil der Arbeitgeber den Tisch verließ. Eine Einigung ist nicht in Sicht, nicht einmal ein nächster Verhandlungstag.
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Ein Lkw, der als Bühne dient, blockiert die Straße vor der Geschäftsstelle, davor wedeln Streikende mit Fahnen der Gewerkschaften GEW und Verdi. Fast alle Beschäftigten tragen rote und gelbe Warnwesten. »Der Arbeitgeber hat kein Mittel und keinen Versuch ausgelassen, um die Verhandlungen zu verschleppen!«, ruft Udo Mertens, Verhandlungsführer und Leiter im Vorstandsbereich Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW. Die Beschäftigten applaudieren und trillern mit ihren Pfeifen.
Die Kernforderungen der Gewerkschaften sind die Wiedereinsetzung des Tarifvertrags, die Erhöhung der Gehälter um sechs Prozent, rückwirkend zum 1. Januar 2020, sowie die stückweise Annäherung an den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst. Verhandlungen sind aber nur möglich, wenn der HVD an den Verhandlungstisch mit den Gewerkschaften zurück kehre, meinen GEW und Verdi.
Mit denen aber will der Verband erst mal nichts zu tun haben. Er kündigte mit dem Ende der Verhandlungen Anfang September an, Entgelte - rückwirkend und zukünftig - nur noch mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Darin sehen die Gewerkschaften den Versuch der Tarifflucht. Auch das Betriebsratsmitglied Monika Eckhardt ist empört: »Der Betriebsrat soll instrumentalisiert werden für den Ausstieg aus dem Tarifvertrag«, sagt die Vertrauensperson der GEW zu »nd«. Auch der Referendar Holger Hutt hält wenig von dem Agieren des Verbands. »Der Vorstand des HVD hat die Verhandlungen einseitig abgebrochen«, findet er.
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Stattdessen fordert sie ein »differenziertes Entgeltsystem, das für alle Beschäftigten die besten Gehälter ermöglicht.« Ein solches System böte laut Raczynski für den HVD die Möglichkeit, beispielsweise Erzieher*innen in verschiedenen Einrichtungen zu verschiedenen Konditionen zu vergüten. Laut Verdi verdienen sie dabei zwischen 270 Euro und 685 Euro weniger als im öffentlichen Dienst.
In einem weiteren Statement des Verbands heißt es, ein solches Vergütungsmodell sei ohnehin die einzige Möglichkeit: »Als freier Träger wird unsere Arbeit aus Geldern des Landes Berlin finanziert. Dieser Finanzierungslogik können wir uns nicht entziehen. Wenn die Politik hier also verschiedene Vergütungen vorsieht, können wir nur im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten Anpassungen vornehmen.« Der Verband finanziere sich aus vielen Töpfen und könne immer nur so viel Gehalt zahlen, wie er auch aus Landesmitteln refinanziert bekomme (»nd« berichtete).
Das wollen die Gewerkschaften auf gar keinen Fall. Ihrer Meinung nach wird damit die Regel »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« gebrochen - so Verdi-Verhandlungsführer Ivo Grabe zu »nd«.
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