Harter Dienstag für Pendler
Gewerkschaft will Nahverkehr in Berlin neun Stunden bestreiken - in Brandenburg satte 24 Stunden
Ab drei Uhr früh geht am Dienstag in Berlin und Brandenburg fast nichts mehr im öffentlichen Nahverkehr. Die Gewerkschaft Verdi ruft auch in der Region zum Warnstreik auf, der Teil der bundesweiten Verhandlungen um den TV-N, den Tarifvertrag Nahverkehr, ist. In der Hauptstadt werden die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bestreikt. Das betrifft alle U-Bahn- und Straßenbahnlinien und fast alle Buslinien. Nur die rund zehn Prozent Fahrleistung beim Bus, die von privaten Subunternehmern erbracht werden, sind von dem Streik nicht betroffen. Meist handelt es sich dabei allerdings um lokale Linien am Stadtrand mit 300er-Nummern und einige wenige innerstädtische Verbindungen wie den 140er.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert von der BVG, diese Busse auf Linien einzusetzen, die fernab von S- und Regionalbahnhöfen verkehren. Dabei geht es vor allem um große Wohnsiedlungen am Stadtrand. Denn der Eisenbahnverkehr ist vom Streik ausgenommen. »Das können wir bei etwas über drei Tagen Vorlauf nicht leisten«, sagt jedoch BVG-Sprecherin Petra Nelken zu »nd«. Es werde unterschätzt, was für eine gewaltige Organisation dafür nötig sei. »Das geht bei einem regulären Streik, wo wir drei, vier Wochen vorher Bescheid wissen«, so Nelken. Das war zuletzt 2008 der Fall. Auch wenn in Berlin der Warnstreik um 12 Uhr beendet werden soll, rechnet man bei der BVG damit, dass erst am Nachmittag gegen 15 oder 16 Uhr Bahnen und Busse wieder komplett im Takt sein werden.
Ganze 24 Stunden, also bis Mittwoch um drei Uhr morgens, wird in Brandenburg gestreikt. Betroffen sind die Verkehrsbetriebe in Potsdam, Cottbus, Frankfurt/Oder, Brandenburg an der Havel sowie die Verkehrsunternehmen der Landkreise und die Busverkehre von DB Regio.
»Uns ist klar, dass der Streik für die Fahrgäste viele Unannehmlichkeiten mit sich bringen wird, aber auf die unverständliche Blockadehaltung der Arbeitgeber können wir nur mit einem Streik reagieren«, erklärte Jeremy Arndt, Fachbereichsleiter Verkehr im Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg. Die Gewerkschaft fordert in dem Tarifkonflikt für bundesweit 87 000 Beschäftigte einheitliche Regelungen in Fragen wie Nachwuchsförderung, Entlastung sowie den Ausgleich von Überstunden und Zulagen für Schichtdienste. Ziel der Gewerkschaft ist es, die Ungleichbehandlung der Bundesländer zu beenden. Seit Einführung des TV-N im Jahr 2005 wurde für jedes Land einzeln verhandelt. Nun fordert Verdi einen bundesweit einheitlichen Rahmen. Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände hat sich gegen die Aufnahme von Verhandlungen ausgesprochen.
Am Freitag hatte nach Bekanntwerden der Warnstreiks der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Berlin laufende Verhandlungen mit Verdi unterbrochen. »Wir haben kein Verständnis für diesen Warnstreik. Erst im letzten Jahr hat es für alle Beschäftigten der BVG Einkommensverbesserungen in einem jährlichen Volumen von 102 Millionen Euro gegeben«, erklärte Anke Stier, Geschäftsführerin des KAV Berlin. In der Corona-Pandemie bedeute ein solcher Streik »ein unnötiges Gesundheitsrisiko für die Fahrgäste«.
»Die Arbeitgeber sorgen mit ihrer ablehnenden Haltung dafür, dass eine erfolgreiche Verkehrswende verhindert wird«, sagte Jeremy Arndt. Für die rund 3500 Brandenburger Beschäftigten fordert Verdi eine möglichst schnelle Angleichung der Bezahlung an Berliner Niveau. Für die rund 14 500 Beschäftigten der BVG soll die Wochenarbeitszeit einheitlich 36,5 Stunden betragen - bei vollem Lohnausgleich.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.