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Macron will 5G statt Öllampen

Frankreichs Präsident setzt sich mit Auktion von Mobilfunkfrequenzen über Bedenken hinweg

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

In Frankreich beginnt am Dienstag die Versteigerung der restlichen Frequenzen für das künftige 5G-Mobilfunknetz. Daran beteiligen sich die drei privaten Telekommunikationskonzerne Bouygues, Free und SFR sowie das halbstaatliche Unternehmen Orange, das aus dem einstigen Staatskonzern France Télécom hervorgegangen ist. Rund die Hälfte der Frequenzen war bereits vergeben worden. Die Bewerber sicherten sich im Dezember vergangenen Jahres Blöcke für einen Pauschalpreis von jeweils 350 Millionen Euro. Das 5G-Netz soll bis zum Sommer 2021 fertiggestellt werden.

Mit der Versteigerung setzt sich die Regierung über massive Vorbehalte in der Öffentlichkeit hinweg. Ein von Präsident Emmanuel Macron berufenes Bürgerforum mit 150 per Los ausgewählten Franzosen, die nach neunmonatigen Beratungen über die aktuellen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme des Landes 150 Vorschläge unterbreiteten, forderte eine Verschiebung der Versteigerung. Zunächst sollten die möglichen gesundheitlichen Folgen, der Energiebedarf sowie Folgen für die Umwelt untersucht und abgewogen werden. Damit erklärte sich Macron zunächst auch einverstanden - doch jetzt steht er nicht zu seinem Wort.

Eine von der Nationalversammlung in Auftrag gegebene Studie über die Gesundheitsfolgen der 5G-Mobilfunkwellen ist in Arbeit, und ihre Ergebnisse sollen im März 2021 vorgelegt werden. Bis dahin sollte die Frequenzvergabe ausgesetzt werden, fordern auch linke Parteien und Organisationen sowie selbst die rechtsbürgerliche Oppositionspartei der Republikaner.

Eine Verschiebung haben Mitte September auch 68 grüne oder sozialistische Bürgermeister französischer Großstädte und Parlamentsabgeordnete der Partei der Grünen und der linken Bewegung La France insoumise in einem offenen Brief verlangt. Jede Kommune müsse im Interesse ihrer Bürger vom Verfassungsrecht der Schadensprävention Gebrauch machen und die Einführung der 5G-Technik samt der Aufstellung der dafür nötigen Antennen so lange hinausschieben können, bis die Gesundheits- oder Umweltbedenken ausgeräumt sind, so deren Forderung.

Der Landesrat der Grünen warnt davor, dass sich der Stromverbrauch durch 5G durch immer mehr in der Industrie und in den Haushalten ans Mobilfunknetz angeschlossene Geräte um mindestens zwei Prozent erhöhe, selbst wenn sich am einzelnen Endgerät der Energiebedarf etwas verringere. Außerdem bestehe die Gefahr, dass über die zahlreicheren vernetzten Zusatzgeräte mehr persönliche Daten über die Bürger gesammelt werden können.

Auf diese Vorbehalte reagierte Präsident Macron in einer Rede im Elysée vor Unternehmern aus der Hightech-Industrie. Dabei bezeichnete er 5G als »technischen Quantensprung« und »große Chance für die französische Wirtschaft«. Man werde »diese technische Revolution nicht den USA und China überlassen«. Die Kritiker, so Macron, wollten »zurück zur Öllampe« und lehnten jeglichen Fortschritt ab »wie die Amish«, die in den USA ohne Strom, Telefon, Fernseher und Computer leben und statt mit Autos immer noch mit Pferdewagen fahren.

Die Abgeordnete Clémentine Autain von La France insoumise kritisierte hingegen die Regierung scharf, weil diese keine Parlamentsdebatte über die 5G-Technik anberaumt habe und die Vergabe der Frequenzen hinter dem Rücken der Volksvertreter betreibe. Im Interesse der Unternehmer forciere Macron die Einführung der 5G-Technik, obwohl viele Franzosen in ländlichen Gegenden noch nicht einmal mobiles Internet des 4G- oder sogar des noch älteren 3G-Standards haben, erklärte Autain. Auch fehlten dort häufig noch Anschlüsse an das Glasfasernetz, weil die Telekomunternehmen dort die Infrastrukturkosten für die vergleichsweise wenigen zahlenden Kunden scheuten.

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