Weiter kein Peak beim CO2-Ausstoß

Fragen der Landnutzung werden beim globalen Klimaschutz immer wichtiger

Bei der Aufforstung geht es klein los.
Bei der Aufforstung geht es klein los.

Eine beliebte Klimaprognose betrifft den Zeitpunkt, an dem die Welt den »Peak« bei den CO2-Emissionen erreicht – also den Spitzenwert, der die Trendwende markiert. Im vergangenen Jahr sah der Thinktank Climate Analytics für 2024 eine 70-prozentige Chance, dass der globale Treibhausgasausstoß zu sinken beginnt. Die Emissionen aus Kohle würden schon 2023 und die aus Erdgas 2024 ihren Spitzenwert erreichen. Und gehe das Wachstum der E-Mobilität so weiter, erreichten dann die Emissionen aus dem Erdöleinsatz 2025 ihren globalen Peak.

Diese Prognose hat sich – wie viele andere zuvor – nicht erfüllt, zeigt das am Mittwoch veröffentlichte »Global Carbon Budget 2024«. Die globalen Kohlenstoff-Emissionen erreichen in diesem Jahr mit 41,6 Milliarden Tonnen einen neuen Rekordwert. Selbst die Emissionen aus der Kohleverbrennung steigen nochmals an – um mindestens 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Zuwachs geht dabei vor allem auf Indien, China und einige andere Länder zurück; in der EU und den USA sinkt dagegen der Kohleeinsatz.

Bei den beiden anderen fossilen Energieträgern sieht es noch schlechter aus. Die CO2-Emissionen aus der Erdölnutzung legen 2024 um mindestens 0,9 Prozent zu, angetrieben vom globalen Flug- und Schiffsverkehr. Einer leichten Zunahme in der EU steht dabei ein sinkender Ölverbrauch in den USA und China entgegen. Die Emissionen aus Erdgas schließlich legen um etwa 2,4 Prozent zu, angetrieben vom Verbrauch in China, den USA, Indien und weiteren Ländern, während in der EU weniger Gas eingesetzt wird.

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Dem Report zufolge sind dabei die Emissionen aus Landnutzungsänderungen wie trockengelegten Mooren oder Entwaldung zuletzt »marginal« zurückgegangen – auf 4,2 Milliarden Tonnen. In einigen Ländern seien in den letzten Jahren die Entwaldungsraten gesunken, wenngleich sie in den Tropen weiter hoch geblieben seien, erklärt dazu Julia Pongratz, Professorin für Landnutzungssysteme an der Uni München und Mitautorin des Budget-Berichts, auf nd-Nachfrage. Die Gründe für die geringere Entwaldung seien teils wirtschaftlicher Natur, teils hätten Umweltschutzmaßnahmen dazu beigetragen.

Dass sich über Jahrzehnte CO2-Senken in dem Sektor durch Aufforstung aufgebaut haben, ist, wie die Geografin weiter erläutert, nicht nur wegen des Klimaschutzes geschehen, sondern auch, um der Wüstenbildung entgegenzuwirken. »In China, den USA und Europa sehen wir schon eine deutliche CO2-Aufnahme durch neue Waldflächen«, so Pongratz. Allerdings mache Aufforstung derzeit nur etwa die Hälfte der Emissionen aus Entwaldung wett, schränkt die Wissenschaftlerin ein. So habe es weiter oberste Priorität, die Entwaldung zu stoppen und Moore wiederzuvernässen.

Pongratz weist zudem darauf hin, dass die CO2-Bilanz nicht die gesamte Dramatik des Klimawandels wiedergibt. Gerade im Landnutzungssektor spielten Methan und Lachgas eine große Rolle. Diese Treibhausgase stammen aus dem Agrarbereich, vor allem der Tierhaltung und dem Düngemitteleinsatz. »Zusammen und global gesehen, erreichen diese Methan- und Lachgasemissionen eine ähnliche Klimawirksamkeit wie das CO2«, erläutert Pongratz. Damit steige für den globalen Klimaschutz auch die Bedeutung der Landnutzung. Diese habe unter Einbeziehung der Nicht-CO2-Emissionen einen Anteil von etwa einem Viertel an den gesamten Treibhausgasemissionen – schaut man nur aufs Kohlendioxid, seien es lediglich 10 Prozent.

Positiv werten die Forscherinnen und Forscher in ihrem Bericht, dass die Emissionen, wenn schon nicht den Gipfel, so doch immerhin eine Art Plateau erreicht haben. Es seien nicht mehr jährliche Wachstumsraten von zwei Prozent wie zwischen 2003 und 2014 zu verzeichnen. Dies nützt für das Pariser Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, allerdings wenig: Es gebe kein Signal zu einer schnellen und tiefgreifenden Absenkung der Treibhausgasemissionen, beklagen die Forscher.

Schnell schrumpft daher das CO2-Budget, das der Menschheit noch zur Verfügung steht, wenn man das 1,5-Grad-Ziel nicht dauerhaft reißen will. Bleibt es beim derzeitigen Emissionsniveau, blieben noch 235 Milliarden Tonnen für sechs Jahre, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent das 1,5-Grad-Limit einzuhalten. Für ein Erwärmungslimit von 1,7 Grad gibt der Report den verbleibenden Zeitraum mit 14 Jahren an, für das 2-Grad-Ziel sind es 27 Jahre.

Heruntergebrochen auf die nationale Ebene heißt das nach einer jetzt aktualisierten Berechnung des Sachverständigenrates für Umweltfragen: Deutschland hat seinen »fairen« Anteil an den globalen CO2-Emissionen für das 1,5-Grad-Limit bereits ausgeschöpft. Die EU verfügt danach noch über ein Budget von fünf bis knapp neun Milliarden Tonnen CO2. Würden die Emissionen ab jetzt linear auf null sinken, müsste die EU dann 2027 oder 2030 CO2-neutral werden, rechnet der Rat weiter vor. Für ein 1,75-Grad-Ziel wären die entsprechenden Jahre 2036 für Deutschland und 2046 für die EU. Nach Ansicht der Sachverständigen sollte die deutsche und internationale Klimapolitik weiter an der Einhaltung des Limits von 1,5 Grad festhalten – trotz weiter sinkender Erfolgswahrscheinlichkeit.

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