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Bauruine Tariftreuegesetz
Trotz FDP-Aus verzögert sich der Gesetzentwurf zur Stärkung der Tarifbindung weiter
Eigentlich sind die Weichen für das Tariftreuegesetz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gestellt: Die Blockade der FDP ist durch den Abgang der Liberalen aus der Ampel-Koalition beseitigt, nachdem ein Entwurf seit Anfang September in der Ressortabstimmung lag. Gemeinsam mit dem Vergabegesetz aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) sollte es in der Kabinettssitzung am Mittwoch beschlossen werden.
Doch geschehen ist nichts. In der Beschlussliste des Kabinetts vom Mittwoch fehlt von beiden Regelungen jede Spur. Auf nd-Frage beim Arbeitsministerium nach den Gründen teilte eine Sprecherin lediglich mit: »Was auf die Tagesordnung des Kabinetts aufgenommen wird, obliegt nicht der Entscheidung der Fachministerien. Außer Frage steht, dass das Tariftreuegesetz für uns von höchster Priorität ist.«
Dem von Hubertus Heil vorgelegten Gesetzentwurf zufolge sollen Unternehmen, die Aufträge von mehr als 25 000 Euro für die Bundesregierung übernehmen, ihren Beschäftigten zumindest für die Dauer des Auftrags »tarifvertragliche Arbeitsbedingungen« gewähren. Dabei geht es um Standards bei Entlohnung, Mindestjahresurlaub sowie Höchstarbeits-, Ruhe- und Pausenzeiten, die per Rechtsverordnung für verbindlich erklärt werden können. Hierdurch sollen tarifgebundene Unternehmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht mehr benachteiligt werden, weil sie einen Kostennachteil haben.
Dass das Gesetz dringend erforderlich ist, zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Susanne Ferschl. Demnach war auch im Jahr 2023 die Zahl der Unternehmen mit Tarifvertrag gesunken – auf nur noch 24 Prozent, ein Prozentpunkt weniger als im Vorjahr. In Ostdeutschland liegt der Anteil mit 17 Prozent weiterhin unter dem in Westdeutschland (25 Prozent).
Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen ist die Tarifbindung gering. Aber auch jeder fünfte Dax-Konzern und Großunternehmen wie Amazon und Tesla verweigern entsprechende Verträge, wie aus Zahlen des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) hervorgeht. Als besonders regelungsbedürftig gilt die Tarifflucht bei sogenannten Nachunternehmern und Leiharbeitsfirmen, etwa auf dem Bau. Dort arbeitet nur die Hälfte der Beschäftigten tarifgebunden, Tendenz sinkend.
»Der Tarifflucht in Subunternehmerstrukturen muss ein Riegel vorgeschoben werden«, betonte Lilian Tschan, Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, auf einer Konferenz von DGB und SPD-naher Friedrich-Ebert-Stiftung am Dienstag. »Dafür haben wir eine gute Regelung gefunden.« Dass dadurch die Tarifautonomie beschädigt werde, wie Arbeitgeberverbände kritisieren, weist Tschan zurück: »Der Staat entscheidet, unter welchen Bedingungen Geld ausgegeben wird.« Die Tarifpartner könnten weiterhin selbst darüber bestimmen, ob sie den Bedingungen entsprechen.
Das Vorhaben zur Tariftreue begrüßt auch WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt. Er betont, dass das Gesetz dazu beitragen könne, das Tarifvertragssystem zu stabilisieren. »Es nimmt den Druck von tarifgebundenen Unternehmen weg«, erklärt er im Gespräch mit »nd«. Allerdings: »Eine Trendwende bei der Tarifbindung wird es eher nicht geben.«
»Die Ampel hat nichts von dem umgesetzt, was im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort Stärkung der Tarifbindung steht.«
Thorsten Schulten Tarifforscher am WSI
Die Entscheidung der Regierung, das Gesetz weiter auf die lange Bank zu schieben, bezeichnet er als »vertane Chance«. Man hätte prüfen können, ob die Beteuerungen etwa vonseiten der CDU, aber auch der FDP, die Tarifbindung stabilisieren zu wollen, ernst gemeint sind. »So aber hat die Ampel nichts von dem umgesetzt, was im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort Stärkung der Tarifbindung steht.«
Über die Gründe für den erneuten Aufschub lässt sich bislang nur spekulieren. Man wolle gute Gesetzgebung verabschieden, hatte Staatssekretärin Tschan auf der Vergabekonferenz gesagt. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass es noch ein paar offene Fragen gibt.
Unklar ist etwa, wie das Gesetz mit Blick auf die konkreten Vergabebedingungen praktisch umgesetzt werden soll, erklärt Tarifforscher Schulten. Das Arbeitsministerium sieht zwar die Einrichtung von drei Stellen vor. Doch für die Entscheidung, welche Regelungen für die jeweiligen Unternehmen letztlich gelten sollen, gebe es bislang keine Infrastruktur. »Das ist im derzeitigen Entwurf noch nicht klar beantwortet«, bemängelt Schulten.
Streit gab es im Vorfeld auch immer wieder bezüglich des Schwellenwerts von 25 000 Euro. Erst ab der Auftragshöhe soll das Gesetz greifen. Schulten warnt davor, den Betrag weiter zu verwässern, wie die FDP mit einem Wert von 100 000 Euro gefordert hatte. »Dann kann man es lassen«, sagt er. »Viele Vergaben fallen dann nicht mehr darunter.« Linke-Abgeordnete Ferschl geht noch einen Schritt weiter und fordert die Streichung des Schwellenwertes. »Der Referenten-Entwurf muss deutlich verbessert werden, damit er kein zahnloser Tiger wird.« Sie fordert: »Keine öffentlichen Gelder ohne tarifliche Arbeitsbedingungen«.
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