Auftrieb für Irlands Rechtsextreme
Gewaltbereite Gruppen unterwandern Proteste gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie
Migration ist in der Republik Irland für Kräfte am rechten Rand des politischen Spektrums kein fruchtbares Thema, denn seit dem 19. Jahrhundert wanderten Millionen von Iren selbst aufgrund der Armut aus. Zugleich ist der irische Nationalismus durch die jahrhundertelange Ausbeutung als britische Kolonie antiimperialistisch geprägt. Dennoch versuchen Rechtsextreme auch hier seit Jahren, Fuß zu fassen. Ideologisch beeinflusst und finanziell unterstützt werden sie von rechtskonservativen und rechtsextremen Kreisen in den USA und faschistischen Gruppierungen in Großbritannien, wie der English Defence League und der British National Party.
Vor den Wahlen in der Republik im Februar 2020 setzten Gruppen aus diesem Spektrum beträchtliche finanzielle Mittel für ihre Kampagnen ein. So veröffentlichte der Parteivorsitzende von Síol na hÉireann (Irische Patrioten) die gleichnamige Gratiszeitung mit einer Auflage von mehreren zehntausend. Er erhielt gerade einmal 580 Stimmen. In keinem Wahlkreis erreichten rechte Kandidaten mehr als ein Prozent der Stimmen.
Durch die Pandemie scheint sich dieses Bild nun zu ändern. Wie in vielen anderen Ländern haben es Rechtsradikale in Irland geschafft, sich an die Speerspitze der Proteste gegen die Covid-19-Maßnahmen zu setzen. Zusätzlichen Auftrieb erhielten sie, als im August der damalige irische EU-Kommissar Phil Hogan bei einem Golfdinner gegen die Pandemiebestimmungen verstieß und daraufhin zurücktreten musste. Über soziale Medien wurde die Botschaft verbreitet: »Die Eliten setzen ihr luxuriöses Leben fort, während wir durch die neuen Gesetze zum Schweigen gebracht werden.« Die Nachricht fiel auf fruchtbaren Boden.
Während bei Infotischen gegen die Maskenpflicht vor dem Hauptpostamt im Zentrum Dublins über Monate hinweg stets nur ein kleines Grüppchen teilnahm, kamen am 22. August erstmals Hunderte Demonstranten zusammen, um gegen die wegen Corona verhängten Einschränkungen zu protestieren. Organisiert wurde die Kundgebung von Health Freedom Ireland, die sich als friedliche Bewegung gegen die Impfpflicht darstellt, und von Yellow Vests Ireland. Die irischen Gelbwesten sind, anders als in Frankreich, keine Massenorganisation von Personen mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, sondern eine stramm rechte Frontorganisation. Viele ihrer Mitglieder waren zuvor bereits in der rechtsextremen Identitären Bewegung aktiv.
Die Proteste wurden rasch und gründlich von radikaleren und gewaltbereiteren Gruppen unterwandert. Am 15. September protestierten in Dublin bereits etwa 3000 Personen gegen die Maskenpflicht. Organisiert wurde die Kundgebung von der Irish Freedom Party. Ihre Vorsitzende Dolores Cahill ist ausgerechnet eine Medizinprofessorin am University College Dublin. In ihrer Rede wetterte sie gegen Maskenpflicht und Coronatests. Ein weiterer Veranstalter war der Vorsitzende der National Party, Justin Barrett, der regelmäßig an Treffen mit europäischen Faschisten wie von der deutschen NPD und der italienischen Forza Nuova teilnimmt.
Ein Teilnehmer einer Gegenkundgebung war der bekannte LGBTQ-Aktivist Izzy Kamikaze. Von rechten Demonstranten wurde er als »Pädophilenschwein« beschimpft und verprügelt. Im Krankenhaus musste seine Schädeldecke genäht werden.
Die Coronaproteste sind in Irland zwar kleiner als in Deutschland, der Überfall auf Kamikaze ist aber nur ein Beispiel für ihr hohes Gewaltpotenzial. In den letzten Wochen wurden vermehrt Brandanschläge auf Flüchtlingsheime verübt und in Galway wurde ein Haus einer Traveller-Familie angezündet (nd berichtete). Die Polizei geht in diesen Fällen davon aus, dass die Attentäter aus derselben rechtsextremen Szene stammen, die auch die Proteste gegen die Maskenpflicht organisiert.
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