- Kommentare
- Warnstreiks
Danke heißt Solidarität
Simon Poelchau über die Diffamierung von Streiks
»Tausend Jahre sind ein Tag«, sang einst Udo Jürgens. Man könnte auch sagen: Sechs Monate sind ein ganzes Zeitalter. Denn vor einem halben Jahr wurden die Busfahrer*innen, Pfleger*innen und Kita-Betreuer*innen, die während des Corona-Lockdowns »den Laden am Laufen« hielten, noch für ihren Einsatz beklatscht. Doch nun wagen es die Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr und im öffentlichen Dienst, sich nicht mehr mit Applaus und warmen Worten zufriedenzugeben. Sie treten für ihre Forderungen sogar noch in den Warnstreik.
Und schon wandelt sich die öffentliche Stimmung gegenüber den Held*innen des Alltags: Auf einer der größten Nachrichten-Websites des Landes beschimpft ein Kommentator die bei den Warnstreiks federführende Gewerkschaft Verdi als »Corona-Maulhelden«; eine Hamburger Wochenzeitung beschwerte sich am Dienstagmorgen über einen ihrer Twitterkanäle, dass der Streik zu überfüllten U-Bahn-Wagen führte. Das sind zwei Beispiele, dass den Beschäftigten Wut entgegenschlägt, nur weil sie ihr gutes Recht auf Warnstreiks bei Tarifverhandlungen in Anspruch nehmen.
Doch so einen Dank haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und Personennahverkehr wirklich nicht verdient. Wer ihnen wirklich danken will, sollte zumindest nicht maulen, wenn er oder sie mal mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren oder das Kind ein, zwei Tage selbst betreuen muss, weil keine Busse unterwegs sind oder die Kita dicht ist. Denn wer eine Arbeit wertschätzt, muss auch die Person wertschätzen, die diese Arbeit verrichtet. Und dazu gehört es auch, diesen Personen nicht nur eine gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen zuzugestehen, sondern auch das Recht, dafür zu kämpfen. Insofern heißt Danke sagen auch Solidarität mit den Streikenden zeigen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.